#9 Wettbewerbsfähigkeit: Wie uns eine Ideologie spaltet und Nationalismus befördert | Mit Merle Groneweg (Teil I)
Shownotes
Derzeit ist viel von «Wettbewerbsfähigkeit» die Rede – besonders im internationalen Vergleich. Deutschland müsse wieder aufholen, heißt es, um im globalen Rennen nicht den Anschluss zu verlieren. Doch was steckt hinter diesem Diskurs? Wer profitiert, wer verliert, wenn wir alle auf Wettbewerbsfähigkeit getrimmt werden? Und wer ist überhaupt mit «wir» gemeint?
Diese Folge senden wir in zwei Teilen. Wir hinterfragen kritisch den Diskurs um «internationale Wettbewerbsfähigkeit» und zeigen, wie er soziale Ungleichheit und Machtverhältnisse verschleiert sowie die Energiewende blockiert (Teil 1, Oktoberfolge). Anhand des aktuellen Handelsstreits mit China diskutieren wir zudem, wie die weltweite Konkurrenz zu gefährlichen Spannungen führt und Nationalismus befördert (Teil 2, Novemberfolge).
Dazu sprechen wir mit Merle Groneweg, Mitarbeiterin am Seminar für Ostasienstudien der Humboldt-Universität Berlin und Vorstandsmitglied bei der handelspolitischen NGO PowerShift.
Schreibt uns an armutszeugnis@rosalux.org
Shownotes:
Vergleich der Rankings bei statista: «Wirtschaftsstandort Deutschland: Standortfaktoren im Fokus»
Kommentar von Simone Tagliapetra im Online-Wirtschaftsmagazin Makronom: Draghis Masterplan für eine neue europäische Industriestrategie
Studie des Bundesverband der Industrie (BDI): «Transformationspfade für das Industrieland Deutschland»
Ingar Solty: Der kommende Krieg. Der USA-China-Konflikt und seine industrie- und klimapolitischen Konsequenzen.
Die Links zu unseren Mitbringseln:
Serie zu Chinas Klima- und Umweltpolitik von Merle Groneweg bei klimareporter.de
Jan Turowski: Chinas kurzer Weg zur Klimaneutralität. Wie Beijing den Ausbau Erneuerbarer Energien vorantreibt.
Alle Podcasts der Rosa-Luxemburg-Stiftung: www.rosalux.de/podcasts
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Transkript anzeigen
00:00:00: Music.
00:00:18: Hallo, herzlich willkommen zur neunten Folge unseres Podcasts Armutszeugnis,
00:00:23: dem Wirtschaftspodcast der Rosa-Luxemburg-Stiftung.
00:00:26: Hallo Sabine. Hallo Eva.
00:00:27: Ich freue mich sehr, dass wir heute über ein Thema reden, was uns in den vergangenen
00:00:31: Podcasts immer mal wieder interessiert hat, wo wir nur kurz darauf eingehen
00:00:35: konnten, nämlich die internationale Wettbewerbsfähigkeit.
00:00:39: Wir wollen heute darüber sprechen, was ist das eigentlich und vor allen Dingen,
00:00:44: was hat es für Folgen, wenn ständig die Rede davon ist, wir müssen international
00:00:48: wettbewerbsfähiger werden.
00:00:50: Also wer gewinnt dabei, wer verliert dabei und welche Folgen hat das auch im
00:00:54: internationalen Kontext.
00:00:55: Und ich bin sehr gespannt, Sabine, was du uns dazu mitgebracht hast.
00:00:59: Du hast dich schlau gemacht zu diesem Thema und hattest auch einen Interviewgast,
00:01:03: nämlich Merle Groneweg.
00:01:05: Sie ist Mitarbeiterin am Seminar für Ostasien-Studien der Humboldt-Universität
00:01:10: Berlin und Vorstandsmitglied bei der handelspolitischen NGO PowerShift.
00:01:15: Und du hast mit Merle gesprochen über die Handelsstreitigkeiten der EU bzw.
00:01:20: Der USA mit China, um nochmal so ein bisschen zu illustrieren,
00:01:23: wie der internationale Wettbewerb eben für diese Widersprüche und Spannungen
00:01:27: und auch wirklich harten Konflikte auf dem Weltmarkt sorgt.
00:01:31: Und jetzt muss ich aber dazu sagen, dass wir nur einen Teil dieses Interviews,
00:01:36: einen kleinen Anreißer, in dieser Folge hören werden.
00:01:39: Denn es gibt so viel zu sagen zu dem Thema, dass wir diese Folge aufteilen werden.
00:01:43: Und den zweiten Teil mit dem dann restlichen Interview mit Merle Groneweg,
00:01:48: den werdet ihr dann in der November-Folge hören.
00:01:51: Und würde sagen, wir steigen jetzt aber erstmal ein mit so einem allgemeinen
00:01:54: Blick darauf, was passiert eigentlich gerade in der Debatte.
00:01:58: Wir kriegen es ja wieder so ein bisschen um die Ohren gehauen,
00:02:00: Deutschland sei der kranke Mann in Europa und meine Frage an dich ist,
00:02:05: was ist gerade der öffentliche Diskurs, vor allen Dingen, wo werden die Ursachen
00:02:09: für diesen angeblichen Verlust an Wettbewerbsfähigkeit gesehen?
00:02:14: Also ich habe in der Vorbereitung zu der Folge bewusst ein bisschen auf dieses
00:02:18: Thema geachtet und dann dachte ich irgendwie, das ist gerade wirklich ein Riesenthema.
00:02:21: Ich meine, vielleicht warst du es vorher schon, aber im Moment ist es wirklich in aller Munde.
00:02:24: Und was besonders gerade Thema ist, ist eben die Tatsache, dass Deutschland
00:02:29: angeblich beim Fußball, würde man sagen, in der Liga absteigt.
00:02:33: Und damit fange ich jetzt auch mal ganz kurz gleich an als Kandidat.
00:02:36: Ein Ranking für internationale Wettbewerbsfähigkeit. Da werden also die verschiedenen
00:02:41: Nationen miteinander verglichen auf diese Frage hin, wie wettbewerbsfähig sind
00:02:46: die verschiedenen Länder.
00:02:47: Und da ist Deutschland nur noch auf Platz 24.
00:02:51: Im letzten Jahr war es Platz 22 und im vorletzten Jahr Platz 15.
00:02:55: Deutschland ist also abgestiegen. Das jetzt erstmal ganz kurz vorweg.
00:02:59: Dann sind zwei wichtige Berichte erschienen, gerade jetzt in letzter Zeit.
00:03:04: Und zwar im September ist ein sogenannter Wake-up-Call erschienen.
00:03:08: Was ist ein Wake-up-Call? Ja, das ist sozusagen ein bisschen Aufwachen.
00:03:12: Also klingt schon von der ganzen Anrufung sehr alarmierend und genau vor dem
00:03:16: Hintergrund des drohenden Abstiegs Deutschlands.
00:03:19: Und dieser Wake-up-Call, also der hat eigentlich die Überschrift Transformationspfade
00:03:24: für das Industrieland Deutschland.
00:03:26: Das ist eine Studie, die der BDI in Auftrag gegeben hat und der Bundesverband
00:03:33: der Deutschen Industrie hat natürlich auch ein Selbstverständnis.
00:03:36: Er sagt von sich selber: Wir arbeiten daran, dass Deutschland ein Industrieland,
00:03:41: ein Exportland und ein Innovationsland bleibt. Das Bleiben ist ganz interessant,
00:03:46: sage ich gleich was dazu.
00:03:47: Und sie sagen natürlich, das gelingt nur auf der Grundlage der sozialen Marktwirtschaft
00:03:51: auf Basis und jetzt kommt es von Markt, Unternehmertum, Wettbewerb,
00:03:57: Handel und natürlich Privateigentum.
00:03:59: Ja, bleibt, also warum sie daran arbeiten, dass Deutschland,
00:04:04: ich sage jetzt mal nur bei Exportland bleibt, liegt daran, dass Deutschland
00:04:07: lange Jahre Exportweltmeister war und mittlerweile ist China auf Platz eins,
00:04:13: dann kommt USA und Deutschland ist jetzt auf Platz drei, also im letzten Jahr.
00:04:17: Hat aber immer noch einen unglaublich hohen Exportüberschuss jedes Jahr, ne? Richtig, genau.
00:04:22: Und dieser Wake-up-Call sagt also quasi, Deutschland steigt ab im internationalen
00:04:27: Wettbewerb, das kann nicht so weitergehen, wir müssen jetzt unbedingt was tun.
00:04:31: Und in dieser Studie sollte eben gezeigt werden, wie das Industrieland Deutschland funktioniert.
00:04:36: Dass zukunfts- und wettbewerbsfähig bleibt. Und jetzt war so ein bisschen die
00:04:40: Frage für mich, und wie haben die das gemessen?
00:04:43: Ich komme nachher noch mal genauer auf diese Standortfaktoren zurück,
00:04:46: aber jetzt erst mal nur für den Einstieg hier.
00:04:48: Sie haben das gemessen unter anderem an den Kosten der Arbeit,
00:04:52: also Löhne und Lohnnebenkosten natürlich, an den Steuern, natürlich Kapitalsteuern,
00:04:57: Unternehmenssteuern und an dem großen Thema, was wir derzeit auch immer hören, Bürokratie.
00:05:02: Und das sind auch die drei Punkte, die laut dieser Studie, wo Deutschland am
00:05:06: schlechtesten dasteht im internationalen Vergleich.
00:05:09: Nicht am schlechtesten, sondern schlecht. Ja, das ist ja auch das,
00:05:11: was politisch schon die ganze Zeit aufgegriffen wird. Die Ampel hat es in ihrem
00:05:14: Wachstumspaket aufgegriffen.
00:05:16: Und die Union hat ja auch im Juni einen Antrag eingebracht im Bundestag für
00:05:21: Wachstum und mehr Wettbewerbsfähigkeit.
00:05:23: Die deutsche Wirtschaft braucht jetzt ein Sofortprogramm und dann kommen wieder
00:05:26: die sehr üblichen Antworten.
00:05:29: Zum Beispiel ist da die Rede davon, die Arbeitskosten müssten eben runter.
00:05:32: Also eine Begrenzung der Sozialabgaben bei 40 Prozent soll es geben,
00:05:36: bei 40 Prozent des Bruttoarbeitslohns, um Deutschland wieder wettbewerbsfähiger zu machen.
00:05:41: Steuersenkungen für Unternehmen sind da angeführt, die man bräuchte,
00:05:45: gesetzlich längere mögliche Arbeitszeiten und auch wieder mehr Druck auf Bürgergeldempfängerinnen.
00:05:50: Also politisch ist es ja so, dass schon seit geraumer Zeit auch darauf reagiert wird, oder?
00:05:56: Genau, es ist also kein Zufall, dass genau bei diesen drei Punkten im Moment
00:06:01: gerade die Regierung tatsächlich versucht, dem zu folgen, was da,
00:06:05: ich sag jetzt mal, die Vertretung des Kapitals möchte.
00:06:07: Es geht nicht nur darum, dass die Arbeitskosten im Sinne von die Löhne sinken
00:06:11: sollen, sondern dass mehr gearbeitet werden soll.
00:06:13: Das liegt da noch mit drin. Und man sieht daran, finde ich,
00:06:16: wunderbar, wie diese für uns wahrscheinlich erstmal abstrakte Größe von internationaler
00:06:21: Wettbewerbsfähigkeit viel mit unserem Leben zu tun hat und bis runter in unsere
00:06:26: einzelnen Alltagsauswirkungen geht.
00:06:28: Und das finde ich immer relativ wichtig, dass man diesen Zusammenhang sich bewusst
00:06:33: macht, der einem erstmal so weit weg vorkommt, wie jetzt internationale Wettbewerbsfähigkeit.
00:06:38: Aber ich möchte kurz noch auf einen zweiten Bericht, der ungefähr zur gleichen
00:06:42: Zeit entstanden ist, der auch viel diskutiert wurde, eingehen,
00:06:46: nämlich ein Bericht von Mario Draghi.
00:06:49: Draghi war auch mal Präsident von der Europäischen Zentralbank und der hat einen Bericht vorgelegt,
00:06:54: der auch die Überschrift hatte, die Zukunft der europäischen Wettbewerbsfähigkeit
00:06:59: oder sowas in der Richtung und da ist also klar, es geht auch um eine europäische
00:07:03: Wettbewerbsfähigkeit, nicht nur um die deutsche Wettbewerbsfähigkeit.
00:07:07: Der argumentiert auch ganz ähnlich wie jetzt der Bericht vom BDI,
00:07:11: aber was da nochmal für mich interessant war und was ich da nochmal herausheben
00:07:14: möchte, ist ein weiterer Aspekt, nämlich dass die EU, in Klammer immer auch
00:07:18: Deutschland mitgedacht,
00:07:20: nicht nur international wettbewerbsfähig werden möchte, ganz allgemein,
00:07:24: sondern auf einem ganz bestimmten Feld, nämlich auf dem Feld der grünen Technologien.
00:07:29: Ja, also sie sagen, sie wollen eine sogenannte Transformationsdynamik auslösen,
00:07:36: also eine Veränderung der Gesellschaft beziehungsweise der Wirtschaft in den
00:07:40: Technologien der Dekarbonisierung.
00:07:43: Und was ist Dekarbonisierung? Das bedeutet eigentlich nichts anderes,
00:07:46: wie dass die Wirtschaft, die Ökonomien CO2 arm oder CO2 frei werden sollen.
00:07:52: Und genau auf diesem Feld der Technologien, die eben dafür sorgen,
00:07:56: dass man CO2 produzieren kann, auf diesem Gebiet möchte die EU Weltmarktführer werden.
00:08:04: Und dann ist so ein bisschen die Frage, wie will sie das machen?
00:08:07: Es gibt tatsächlich die Formulierung, die EU-Kommission möchte ein First Mover Advantage erreichen.
00:08:13: Das heißt so viel wie, wer zuerst kommt, mal zuerst.
00:08:16: Und da gibt es verschiedene Möglichkeiten, wie sie das machen kann.
00:08:18: Wenn du eine Technologieführerschaft hast, kannst du natürlich Standards setzen,
00:08:23: denen sich die anderen unterordnen müssen.
00:08:25: Zum Beispiel kannst du auch Patente, und die EU ist relativ bekannt dafür,
00:08:29: insbesondere auch Deutschland, viele Patente zu beantragen und auch genehmigt zu kriegen.
00:08:34: Und wenn dann andere deine patentierte Technologie benutzen,
00:08:36: kannst du dafür Geld verlangen.
00:08:38: Das zweite ist, auch ein der möglichen Mittel ist, dass wenn du die Standards
00:08:43: gesetzt hast, das gibt es jetzt auch schon in der EU, dann kannst du sozusagen
00:08:47: Vorprodukte, die du brauchst aus dem Ausland für deine eigene Produktion,
00:08:52: wenn diese Vorprodukte im Ausland nicht CO2-arm hergestellt worden sind,
00:08:58: dann darfst du die bepreisen mit einem CO2-Preis.
00:09:01: Du darfst die also teurer machen. Das ist dieser sogenannte Grenzausgleichsmechanismus?
00:09:06: Ja, das ist der Grenzausgleichsmechanismus. Diese Technokratensprache der EU,
00:09:11: das ist wirklich eine Herausforderung. Aber genau, das ist es.
00:09:14: Das läuft auch schon, da gibt es auch schon eine Übergangsphase und soll dann
00:09:17: ab 2026 richtig umgesetzt werden.
00:09:21: Und ich finde recht deutlich, was da eigentlich der Zusammenhang ist.
00:09:25: Vor diesem Hintergrund wird, wenn kürzlich hat die grüne Außenministerin Analia
00:09:30: Baerbock gesagt, in dem Europa der erste klimaneutrale Kontinent wird,
00:09:36: wird der Industriestandort Europa gesichert.
00:09:39: Ganz kurz mal, in dem Europa der erste klimaneutrale Kontinent wird,
00:09:43: da würde ich jetzt mal ein großes Fragezeichen hintersetzen.
00:09:46: Ich meine, da kommen wir im Laufe der Sendung ja noch zu.
00:09:48: Wenn man auf China guckt, merkt man, mit welchen riesen Schritten China davon
00:09:53: eilt, was den Aufbau von grüner Technologie angeht.
00:09:56: Und auch in den USA wird ja mit dem Inflation Reduction Act und anderen Programmen
00:10:01: wahnsinnig viel Geld tatsächlich in die Industrie gepumpt, unter anderem um
00:10:05: sie zu dekarbonisieren.
00:10:07: Also so vom Wording her ist das für mich gerade so ein bisschen ein Wunschdenken der EU, oder?
00:10:12: Das ist tatsächlich so, dass das das Ziel ist, aber es gibt unglaublich viele
00:10:16: Widersprüche, die diesem Ziel entgegenlaufen, was dann in der Literatur immer
00:10:22: Zielkonflikt genannt wird.
00:10:24: Ich würde sagen, es ist ein systemimmanenter Widerspruch, aber genau wie du
00:10:27: sagst, darauf kommen wir dann nachher auch nochmal zu sprechen im Detail.
00:10:30: Was mir jetzt nochmal wichtig war, ist, dass sozusagen die Klimaneutralität,
00:10:35: das Ziel, den Kontinent klimaneutral zu machen, das Mittel ist oder das Mittel
00:10:39: sein soll, wie gut auch immer das dann gelingt,
00:10:41: aber es soll eben das Mittel sein dafür, dass Europa im internationalen Wettbewerb gewinnt.
00:10:46: Und Habeck, also der Wirtschaftsminister Robert Habeck, hat zu beiden Berichten
00:10:50: relativ schnell reagiert und hat öffentlich dann dazu gesagt,
00:10:54: ich zitiere mal ganz kurz.
00:10:56: Wir, immer dieses wir, müssen jetzt den Willen, die Fähigkeiten und die Ressourcen
00:11:01: aufbringen, um die deutsche und die europäische Wirtschaft global wettbewerbsfähig zu machen.
00:11:07: Um, beziehungsweise um, den Umbau hin zu Klimaneutralität zu stemmen.
00:11:14: Und ich finde es relativ eindeutig, dieses Wir, das werde ich wahrscheinlich
00:11:18: öfter mal sagen, weil mich das jedes Mal ein bisschen ärgert,
00:11:22: das bezieht sich ganz klar auf die Interessen der Wirtschaft.
00:11:26: Und ob das dann immer die Interessen aller sind, sei jetzt mal dahingestellt.
00:11:29: Und Habeck hat dann noch was gesagt, was ich interessant fand und auch wichtig,
00:11:33: Nämlich er hat gesagt, auch ich sehe, dass wir in der Summe eine Unternehmensbesteuerung
00:11:38: haben, die international nicht mehr funktioniert.
00:11:41: Dass wettbewerbsfähig und investitionsfreundlich genug ist.
00:11:44: Das verweist eben wieder auf dieses alte Problem, dass man, wenn man Vermögensteuer
00:11:49: oder sonstige Steuern erheben möchte, in einem Land eben immer gesagt wird,
00:11:53: das geht nicht, weil wir stehen auch bei der Steuer international im Wettbewerb.
00:11:58: Da ist so ein Race to the Bottom. Und das Letzte, und dann höre ich auch auf
00:12:01: mit Habeck zitieren, er sagt dann auch in diesem Kontext noch,
00:12:05: das war noch vor den Haushaltsverhandlungen, Eva, und ja, wir werden sicherlich
00:12:09: sparen müssen, auch beim Haushalt 2025.
00:12:13: Das heißt, der öffentliche Diskurs ist total klar, Deutschland kackt ab,
00:12:17: Deutschland steigt ab und wir alle, also im Rahmen internationaler Wettbewerbsfähigkeit,
00:12:21: gerade auf dem Feld grüner Technologie, wir wollen Weltmarktspitze werden und
00:12:25: wir alle müssen jetzt gemeinsam da mitmachen.
00:12:27: Okay, das ist also so das allgemeine Setting, der Ausgangspunkt und ich habe
00:12:32: mich aber nochmal gefragt, was genau ist eigentlich tatsächlich internationale
00:12:36: Wettbewerbsfähigkeit, so ein bisschen hast du es schon angerissen,
00:12:38: aber vielleicht kannst du darauf nochmal eingehen und wie wird das eigentlich gemessen,
00:12:42: gerade auch in diesen Rankings, also wenn man das hört,
00:12:44: Deutschland ist abgestiegen, das klingt erstmal auch so ein bisschen absurd
00:12:47: oder man fragt sich, was genau meinen die damit, vielleicht kannst du da nochmal drauf eingehen.
00:12:52: Also zuerst möchte ich mal ganz kurz was zu dem Wort sagen.
00:12:56: Wettbewerbsfähig, das finde ich so ein bisschen lustig, weil offensichtlich
00:13:00: stehen alle Länder schon im Wettbewerb.
00:13:03: Sie sind also schon fähig, miteinander zu konkurrieren.
00:13:07: Was eigentlich mit wettbewerbsfähig werden wollen oder sein wollen gemeint ist, ist gewinnen.
00:13:14: Und das geht natürlich hinter dem Wort fähig ein bisschen unter,
00:13:16: aber das ist jetzt nur ein kleiner sprachlicher Blick. Wie das gemessen wird,
00:13:20: was du gerade gefragt hast. Das ist sehr unterschiedlich.
00:13:23: Wir haben also von Messung zu Messung oder von Ranking zu Ranking,
00:13:26: es gibt ja mehrere, ist es sehr unterschiedlich.
00:13:28: Bei der Studie vom BDI, was ich eingangs angesprochen habe und auch beim World
00:13:34: Competitiveness Ranking,
00:13:36: also das ist auch ein anderes Ranking noch, eins der bekannteren und dann gibt
00:13:40: es übrigens noch den Global Competitiveness Report.
00:13:43: Das sind die letzten beiden, die ich jetzt genannt habe.
00:13:46: Das sind zwei Rankings, die von unterschiedlichen Institutionen stammen und
00:13:50: die sich auch unterscheiden in der Methodologie, in der Herangehensweise,
00:13:53: auch in der Anzahl der Länder, die verglichen werden. Das ist also sehr unterschiedlich.
00:13:58: Und wie gesagt, es gibt zum Beispiel auch, Eva, diese berühmte Stiftung Familienunternehmen.
00:14:03: Ja, von wegen Familienunternehmen. Familienunternehmen, genau.
00:14:07: Und auch Unternehmensberatung, auch selbst die EU, alle machen jetzt diese Rankings.
00:14:11: Und ich habe glücklicherweise, bin ich auf einen Artikel gestoßen,
00:14:14: der dankenswerterweise mal alle Rankings miteinander verglichen hat,
00:14:18: um rauszufinden, was da so grob der gemeinsame Konsens ist.
00:14:23: Und der kommt zum Schluss, dieser Artikel, dass also der Wirtschaftsstandort
00:14:27: Deutschland schon auch ein paar gute Standortfaktoren hat. Das ist zum Beispiel
00:14:32: die hohe Fachkräftequalität.
00:14:34: Eine gute Infrastruktur, da war ich ein bisschen überrascht,
00:14:38: da haben sie bestimmt die Bahn nicht mit reinberechnet.
00:14:40: Und auch so vieles andere an maroden Strecken, also Straßen und so weiter.
00:14:46: Beim BDI zum Beispiel gibt es so eine Tabelle,
00:14:49: wo sie die unterschiedlichen Faktoren aufgezeichnet haben.
00:14:52: Da war das nochmal ausdifferenziert, also Infrastruktur in Telekommunikation, in Netzinfrastruktur.
00:14:59: Und da ist schon nochmal eine Differenzierung gewesen, die Verkehrsinfrastruktur
00:15:03: ist da nicht so gut bei weggekommen und so weiter.
00:15:06: Aber unterm Strich, trotz der Bahn, heißt es noch gute Infrastruktur im internationalen
00:15:11: Vergleich, muss man immer sagen.
00:15:13: Als guter Standortfaktor wurde auch noch eine politische Stabilität genannt,
00:15:18: eine geografisch günstige Lage.
00:15:20: Und dann kommt das, was problematisch ist. Und da sind wir eigentlich schon
00:15:24: wieder bei dem, was wir vorhin schon angedeutet haben,
00:15:26: nämlich Regulierung und Bürokratie, also ein hoher Bürokratieaufwand,
00:15:32: die Steuerbelastung und der Fachkräftemangel.
00:15:35: Das heißt, Fachkräfte sind zwar gut, aber es gibt zu wenig.
00:15:38: Und dann wird hier noch genannt, die hohen Energiekosten und natürlich wieder
00:15:42: die hohen Arbeitskosten.
00:15:43: Das ist im Grunde genommen das Ranking, sei ich jetzt mal die Ranking-Bilanz
00:15:48: am Ende. Ich würde gerne das, was ich jetzt erstmal nur über dieses Ranking
00:15:53: gesagt habe, an einem Beispiel ein bisschen konkretisieren.
00:15:57: Zum Beispiel hat neulich die Lufthansa bekannt gegeben, dass sie ihre China-Flüge streichen möchte.
00:16:03: Und das würde bedeuten, dass zum Beispiel die Strecke von Frankfurt nach Peking wegfällt.
00:16:07: Sie begründen das mit einem Sparprogramm des Konzerns, aber was ich interessant
00:16:13: fand, sie beklagen in dieser Nachricht
00:16:14: eben auch einen extrem ungleichen Wettbewerb mit Airlines aus China.
00:16:20: Auch andere Gesellschaften nennen sie, wie jetzt zum Beispiel die Emirate,
00:16:24: die Türkisch Airlines und so weiter.
00:16:27: Da sagen sie eben, alle Airlines aus diesen Staaten profitieren von niedrigen
00:16:32: Standortkosten, von geringen sozialen Standards und von hohen staatlichen Investitionen
00:16:38: im Luftverkehrssektor.
00:16:40: Ja, das heißt, der Sprecher von der Lufthansa hat dann auch noch gesagt,
00:16:44: EU-Airlines hingegen sind zunehmend mit politischen Rahmenbedingungen konfrontiert,
00:16:49: die ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit einseitig schwächen.
00:16:54: Ja, das ist ja wieder der schöne Appell an die Politik, auf jeden Fall race
00:16:57: to the bottom bei Arbeitsbedingungen, Sozialstandards und so weiter.
00:17:01: Exakt, da sieht man es mal, also sehr deutlich auch ausgesprochen.
00:17:04: Ja, das ist interessant.
00:17:06: Und ich habe mich aber auch noch gefragt, seit wann ist denn überhaupt dieser
00:17:09: Begriff internationale Wettbewerbsfähigkeit so ein Kampfbegriff?
00:17:13: Also seit wann wird der so benutzt, um politisch und ökonomisch auch für eine
00:17:18: bestimmte Politik Stimmung zu machen?
00:17:21: Ja, das ist eine gute Frage, weil, man sollte das gar nicht meinen,
00:17:25: internationale Wettbewerbsfähigkeit ist noch ein relativ junger Diskurs.
00:17:28: Man sieht das übrigens auch an diesen Rankings, die ich vorhin gerade schon
00:17:32: thematisiert habe, zum Beispiel dieser World Competitiveness Ranking,
00:17:36: der ist übrigens von der Schweizer Business School, den gibt es erst seit 1989.
00:17:42: Und der Global Competitive Report, der vom World Economic Forum ist,
00:17:47: auch eine Schweizer Stiftung, den gibt es erst seit 1979.
00:17:52: Und wenn man sich das jetzt mal vor Augen führt, 1989 und 1979,
00:17:55: das ist jetzt nicht ganz zufällig in der Zeit entstanden, als auch die Globalisierung
00:18:01: und die Liberalisierung 80er, 90er Jahre aufgekommen ist oder sich vertieft hat.
00:18:07: Also die wirtschaftliche Globalisierung.
00:18:10: Wir hatten in der Zeit auch das Ende der sogenannten Systemkonkurrenz.
00:18:14: Also hier Sowjetunion, DDR transformierten sich in, seht ihr jetzt nicht,
00:18:19: mache ich jetzt mal mit den Händchen Anführungsstrichen, Marktwirtschaft und Demokratie.
00:18:22: Die neoliberale Ideologie und Praxis hat sich vertieft international und das
00:18:28: war sozusagen der Boden,
00:18:30: der das bereitet hat, dass man plötzlich Nationen auch miteinander in Konkurrenz
00:18:34: setzt und als wettbewerbsfähige Einheiten miteinander vergleicht.
00:18:39: Mit dieser Entwicklung hat sich eine Ideologie durchgesetzt,
00:18:44: die aber im Grunde genommen gar nicht neu ist, sondern die sich dann nur übertragen
00:18:48: hat auf eben die Nationen, die jetzt dann untereinander als Einheiten konkurrieren.
00:18:53: Nämlich die Ideologie, dass Wettbewerb zur besten aller möglichen Welten führen würde.
00:18:58: Und dieses Wachstum soll dann eben zu Wohlstand für alle führen.
00:19:02: Ja, das ist dieses berühmte Trickle-Down-Moment, wo man eben sagt,
00:19:07: okay, okay, wenn wir Wirtschaftswachstum haben, konzentriert sich der Reichtum
00:19:10: zwar ganz da oben, aber der rieselt dann langsam runter auf uns alle.
00:19:16: Trickle-Down, sodass wir am Ende alle was davon haben.
00:19:19: Wo wir ja seit Jahrzehnten erfahren, dass das jetzt auch nicht der Fall ist,
00:19:23: sondern die Ungleichheit extrem anwächst. So ist es.
00:19:27: Nichtsdestotrotz ist diese positive Wettbewerbsideologie nach wie vor das herrschende Narrativ.
00:19:33: Also das hat noch keine Kratzer bekommen, trotz all dem, was wir eigentlich
00:19:37: in der Realität erleben.
00:19:39: Du sprichst jetzt von Wettbewerb und gleichzeitig hatten wir das auch in unseren
00:19:43: vergangenen Podcast-Folgen ja öfter mal, dass wir so ein bisschen das Thema
00:19:46: Konkurrenz angetippt haben.
00:19:48: Ist für dich Wettbewerb und Konkurrenz eigentlich dasselbe oder würdest du da
00:19:53: nochmal differenzieren?
00:19:55: Also ich würde sagen, man kann es synonym benutzen, Konkurrenz und Wettbewerb.
00:19:59: Allerdings, wenn ich jetzt das ganze Wort sage, Wettbewerbsfähigkeit,
00:20:03: ist Konkurrenzfähigkeit etwas gewöhnungsbedürftig.
00:20:07: Aber Konkurrenz und Wettbewerb sind eigentlich im Grunde genommen inhaltlich
00:20:10: synonym. Aber der Begriff Konkurrenz ist etwas weniger positiv konnotiert.
00:20:17: Also klingt härter, also die konkurrieren, klingt irgendwie härter.
00:20:21: Wettbewerb dagegen klingt so ein bisschen nach harmlosem Sport und Spiel.
00:20:26: Also so wie man halt im Sport irgendwie so einen Wettbewerb hat,
00:20:29: so haben wir es halt jetzt auch in der Wirtschaft.
00:20:31: Insofern hat Bewerb, finde ich, auf jeden Fall eine affirmative Konnotation.
00:20:35: Ich würde eher von Konkurrenz sprechen.
00:20:37: Und es ist außerdem auch einfacher auszusprechen, die ganzen Wortkombinationen
00:20:42: wie Wettbewerbsfähigkeit, du weißt schon.
00:20:45: Na gut, also jetzt ist ja auch so ein bisschen die Frage, was ist es jetzt Konkurrenz?
00:20:49: Was genau ist eigentlich Wettbewerb?
00:20:52: Und im Grunde genommen ist es ein Handlungsmodus, ein sozialer oder ökonomischer,
00:20:58: beides gleichzeitig Handlungsmodus, der auf allen Ebenen wirkt.
00:21:02: Und was mir daran wichtig ist zu zeigen, ist, dass dieser Handlungsmodus,
00:21:08: dass sich eben alle auf allen Ebenen als Konkurrierende aufeinander beziehen in der Wirtschaft.
00:21:15: Das führt zu extremen Widersprüchen, die alles andere als leicht zu versöhnen
00:21:21: sind und die auch sehr negative, spannungsgeladene Verhältnisse nach sich ziehen.
00:21:26: Das ist eigentlich der Punkt, der mir wichtig ist aufzuzeigen.
00:21:29: Und das ist aber natürlich auf sehr vielschichtigen Ebenen. Also wenn ich mir das angucke,
00:21:34: Unternehmen konkurrieren hier in diesem Land gegeneinander und gleichzeitig
00:21:38: hast du dann die nationalstaatliche Konkurrenz jetzt in den Konflikten China
00:21:43: gegen die USA zum Beispiel.
00:21:46: Also da muss man wahrscheinlich diese Ebenen auch nochmal unterscheiden. So ist es.
00:21:49: Und es ist eben aufgrund dieser wechselseitigen Konkurrenz über Grenzen hinweg,
00:21:54: ist es wahnsinnig komplex und du kannst dann die einzelnen Interessensgegensätze,
00:21:59: du kriegst es gar nicht mehr so richtig zusammen.
00:22:01: Ich mache mal jetzt ganz kurz ein Beispiel. Die EU-Kommission hat am Freitag
00:22:05: gerade Zölle beschlossen für die Einfuhr von Elektroautos aus China.
00:22:09: Und das Bundeskabinett in Deutschland, also Scholz, der Bundeskanzler,
00:22:14: Annalena Baerbock und Habeck, man sollte ja meinen, alles drei deutsche Regierungsmitglieder
00:22:19: hätten da vielleicht eine einhellige Meinung, ist aber nicht so.
00:22:22: Scholz war gegen die Zölle, Annalena Baerbock war für die Zölle.
00:22:28: Und Habeck hat sich enthalten. Und es gab letzte Woche wohl eine Sitzung,
00:22:32: wo die sich tierisch in die Haare gekriegt haben mit Lindner und die sich da drin nicht einig sind.
00:22:37: Und aus welchen Gründen? Das zeigt ein bisschen, wie diese Konkurrenz für so
00:22:40: eine Komplexität sorgt, die man dann am Ende, wo man dann echt überhaupt nicht mehr durchsieht.
00:22:45: Und insofern ist es hilfreich, dass wir diese Ebenen, wie du es jetzt gerade
00:22:48: gesagt hast, auseinanderhalten.
00:22:50: Einfach mal erstmal nur zur Analyse und jetzt kommt das berühmte Vier-Ebenen-Modell von Nuss.
00:22:57: Okay, ich bin gespannt. Das abstrahiert auf der ersten Ebene sieht es jetzt
00:23:03: mal völlig ab von Nation, von Politik, von Globalisierung.
00:23:07: Sondern wir gucken jetzt einfach
00:23:08: erst mal nur auf ein einzelnes Unternehmen. Das ist die erste Ebene.
00:23:12: Ich führe das gleich aus. Ich will nur die vier Ebenen mal kurz nennen.
00:23:15: Die zweite Ebene ist, dass wir uns angucken, wie die Unternehmen innerhalb eines Landes konkurrieren.
00:23:23: Die dritte Ebene ist, dass wir uns angucken, wie die Unternehmen innerhalb eines
00:23:29: Landes weltweit, also quasi nationale Unternehmen wie französische Unternehmen,
00:23:35: deutsche Unternehmen und so weiter,
00:23:36: wie die weltweit konkurrieren, das ist die dritte Ebene, die vierte Ebene ist,
00:23:40: wie diese Unternehmen, die sowohl innerhalb eines Landes konkurrieren als auch
00:23:45: weltweit konkurrieren, auch noch im Rahmen bestimmter geopolitischer Machtsphären
00:23:51: konkurrieren, also USA, Europa gegen China und so weiter und so fort.
00:23:55: Das sind diese vier Layer, die übereinandergelegt dafür sorgen,
00:24:00: dass diese Interessenskonflikte und Interessenswidersprüche so wahnsinnig schwer
00:24:04: auseinanderzuklamüsern sind.
00:24:05: Aber ich hoffe, dass das ein bisschen hilft, wenn wir dann später ein bisschen
00:24:09: in die konkrete Realität gehen mit diesen Konflikten, dass man mit diesem Modell
00:24:13: dann das so ein bisschen sortieren kann.
00:24:15: Okay, also gucken wir uns erstmal die allererste Ebene an, das einzelne Unternehmen,
00:24:21: das in Konkurrenz steht.
00:24:23: Ziel eines jeden Unternehmens, also ich lege jetzt die Betonung auf privatwirtschaftliches
00:24:28: Unternehmen und auch ein Staat übrigens kann privatwirtschaftlich agieren.
00:24:31: Ein Ziel eines jeden Unternehmens ist Umsatz, Umsatz, Umsatz,
00:24:36: also möglichst viel verkaufen.
00:24:38: Der Zweck dieser Angelegenheit besteht darin, dass das investierte Kapital,
00:24:43: also da wird eben Arbeitskraft gekauft, Naturressourcen, Vorprodukte,
00:24:47: Maschinen und so weiter und das Kapital, was da rein investiert wurde,
00:24:51: muss vermehrt zurückfließen.
00:24:52: Das ist eigentlich das, was dann als Gewinn oder als Profitmaximierung bezeichnet wird.
00:24:57: Das ist die Handlungsrationalität eines jeden Unternehmens und das wird in Konkurrenz gemacht.
00:25:03: Das bedeutet, dass wenn Unternehmen mit den gleichen Gütern innerhalb einer
00:25:07: Branche um die Gunst der Konsumentinnen buhlt, dass der Absatzmarkt gibt ja
00:25:12: nicht so viel her, dass dann einzelne Unternehmen dann auch mal pleite gehen.
00:25:16: Und das ist was, was die Befürworter von Wettbewerb natürlich auch eigentlich
00:25:20: positiv sehen, weil sie sagen, naja gut, das ist eben Wettbewerb.
00:25:24: Es gibt Gewinner und es gibt Verlierer.
00:25:26: Das Gute ist, dass eben der Wettbewerb die guten Unternehmen belohnt und die
00:25:30: schlechten Unternehmen bestraft.
00:25:32: Aber so entsteht eben diese Effizienz.
00:25:34: Und diese Konkurrenz, also wie konkurrieren Unternehmen eigentlich gegeneinander,
00:25:39: das läuft tendenziell über den Preis der Güter.
00:25:43: Natürlich gibt es auch ein Preis-Leistungs-Verhältnis. Also wenn ich mir jetzt
00:25:46: zum Beispiel irgendwas kaufe, dann vergleiche ich schon auch Preise,
00:25:49: weil ich natürlich auch gerne was Günstigeres möchte. Das hängt dann auch immer
00:25:52: ein bisschen vom Geldbeutel ab.
00:25:54: Je weniger Geld du hast, desto mehr guckst du, dass du billig einkaufen kannst.
00:25:58: Und dann wird aber schon noch mit einberechnet, wie ist die Qualität von dem Produkt.
00:26:03: Also etwas, was vielleicht total billig ist, aber total schlecht von der Qualität,
00:26:06: würde ich vielleicht auch nicht kaufen. Aber tendenziell deshalb ist der Preis
00:26:10: eigentlich das maßgebliche Kriterium.
00:26:13: Das heißt, in der Konkurrenz müssen die Unternehmen dann versuchen,
00:26:16: billiger zu sein als die anderen.
00:26:18: Wenn sie merken, dass jetzt einer vorprescht und was ganz billig anbietet,
00:26:22: dann müssen sie irgendwie gucken, dass sie nachziehen können.
00:26:24: Und wie senke ich den Preis?
00:26:26: In der Regel über die Kosten, die mir ein Produkt in seiner Herstellung verursacht
00:26:31: hat und das sind Arbeitskosten, aber auch wie gesagt die anderen Kosten.
00:26:36: Insofern steht natürlich Lohn oder die Lohnnebenkosten in der Konkurrenz permanent unter Druck.
00:26:42: Wenn jetzt ein Unternehmen gewinnt, das ist jetzt nicht so, dass es immer diesen
00:26:45: Race to the Bottom geht, immer niedriger, niedriger, niedriger,
00:26:49: sondern es gibt eben diese widersprüchliche Bewegung, dass auch in der Konkurrenz
00:26:52: manche Unternehmen gewinnen.
00:26:54: Und wenn die Konjunktur gut ist, kann man da auch mal höhere Löhne verlangen.
00:26:57: Oder wenn du einen Fachkräftemangel hast, wo dann die Lohnarbeitenden in der
00:27:01: Lage sind, auch mal zu sagen, du brauchst mich unbedingt, kann die Person dann
00:27:05: auch mal mehr Lohn verlangen.
00:27:06: Es geht also nicht immer steil nach unten. Deshalb sage ich auch immer tendenziell,
00:27:11: das Race to the Bottom ist tendenziell nach unten.
00:27:15: Was noch dazu erwähnt werden muss, ist, dass diese Konkurrenz zwischen Unternehmen
00:27:20: noch eine ganz andere Dynamik auslöst.
00:27:22: Sie ist nämlich genau dafür verantwortlich, dass es zum Wachstumszwang kommt.
00:27:28: Unternehmen müssen nämlich permanent in der Konkurrenz ständig produzieren.
00:27:32: Da will ich jetzt aber nicht näher eingehen. Das machen wir ja auch nochmal
00:27:35: in der Wachstumsfolge. Genau, da machen wir nochmal eine extra Folge dazu,
00:27:38: aber das wollte ich nochmal wenigstens andippen, dass das auch ein wichtiger
00:27:42: Effekt ist von Konkurrenz.
00:27:46: Und was mir auch wichtig ist, dass diese Konkurrenz zwischen den Unternehmen
00:27:49: auch die Lohnarbeitenden wiederum zueinander in Konkurrenz setzt,
00:27:54: wie ich das auch jetzt gerade schon ein bisschen angedeutet habe.
00:27:57: Also spaltet auch die Klasse.
00:28:00: So, das war jetzt erstmal nur die Ebene bezogen auf ein einzelnes Unternehmen
00:28:04: und jetzt kommt die zweite Ebene, die ich angedippt habe vorhin.
00:28:07: Das ist die erste politische Ebene, würde ich mal sagen. Da kommt jetzt die
00:28:10: Politik mit ins Spiel, weil ein Unternehmen ist nicht freischwebend.
00:28:14: Jedes Unternehmen gehört einer politischen Einheit an, ist als in irgendeinem
00:28:19: Staat zu Hause und aktiv.
00:28:21: Also es konkurrieren nicht immer einfach irgendwelche Unternehmen miteinander,
00:28:25: sondern es konkurrieren nationale Unternehmen miteinander oder gegeneinander.
00:28:30: Und da ist schon mal der erste große Widerspruch zu nennen.
00:28:33: Innerhalb eines Unternehmens gibt es ein Interesse der Politik oder der Regierung
00:28:38: daran, dass die Unternehmen Arbeitsplätze schaffen.
00:28:42: Die Wirtschaft wiederum, die Unternehmen haben ein Interesse an Kapitalvermehrung,
00:28:47: nicht an der Schaffung von Arbeitsplätzen.
00:28:50: Natürlich sagen das Unternehmen immer, wir schaffen auch Arbeitsplätze und so weiter und so fort.
00:28:54: Aber de facto ist die Arbeit, die sie brauchen, also unsere Arbeitskraft,
00:28:58: unsere aller Arbeitskraft, nur das Mittel zur Kapitalvermehrung.
00:29:01: Es ist nicht der Zweck, Arbeitsplätze zu schaffen.
00:29:04: Das heißt also, die Politik muss dafür sorgen, dass Arbeitsplätze entstehen,
00:29:08: dass es den Leuten gut geht, die sie ja wählen.
00:29:10: Und die Unternehmen, die wollen ihr Kapital vermehren und das geht tendenziell
00:29:14: auf Kosten des Wohlbefindens, der Arbeitsbedingungen der Leute.
00:29:17: Und zwischen diesen zweiten Widersprüchen, zwischen diesen zwei entgegengesetzten
00:29:22: Interessen kann man unglaublich viel ansiedeln, was wir tagtäglich an öffentlichen Diskussionen erleben.
00:29:27: Jetzt gerade bei VW zum Beispiel. Exakt.
00:29:31: Also da sagt jetzt VW, glaube ich, Osnabrück wollen sie einen Standort schließen
00:29:34: eventuell oder auch andere oder auch Leute entlassen.
00:29:37: Und dann sagt die Politik, wie könnt ihr nur, das geht nicht und so weiter.
00:29:41: Und dann ist die Politik natürlich gefragt, jetzt Bedingungen zu schaffen,
00:29:45: dass das nicht passiert.
00:29:46: Und es reicht dann von Subventionen bis jetzt auf einer größeren Ebene von der
00:29:51: Absenkung der Unternehmenssteuern, eben dieses berühmte den Boden attraktiv machen fürs Kapital.
00:29:57: Das ist die zweite politische Ebene. Das, was ich jetzt gerade gesagt habe,
00:30:02: ist Unternehmen betrachtet unter Einbeziehung der politischen Ebene.
00:30:05: So, und jetzt beziehe ich ein, die dritte Ebene. Und das bedeutet,
00:30:11: dass wir es jetzt mit der Globalisierung zu tun haben.
00:30:14: Nämlich im Kontext von Globalisierung vervielfachen sich jetzt die Widersprüche,
00:30:18: die ich gerade beschrieben habe, nochmal.
00:30:21: Jetzt konkurrieren weltweit Staaten gegeneinander, die bereits in sich innerhalb
00:30:26: ihres Einzellandes schon diese Gegensätze haben.
00:30:28: Das bedeutet, alle Unternehmen betrachten alle anderen Nationen der Welt als
00:30:35: potenziellen Absatzmarkt. Natürlich nicht alle.
00:30:38: Das Taxiunternehmen in Berlin kann jetzt nicht sagen, ich verkaufe mein Gut
00:30:43: Dienstleistung Taxifahrt irgendwo in Italien. Aber die Unternehmen,
00:30:48: die das können, die versuchen das natürlich, im Ausland ihre Waren zu verkaufen.
00:30:53: Aber auch darin stehen jetzt plötzlich die Unternehmen weltweit miteinander in Konkurrenz.
00:30:59: Und jetzt ist es auch so, dass bei dieser Betrachtung die Regierungen der ganzen
00:31:04: Welt ihren jeweiligen Unternehmen möglichst das leicht machen wollen,
00:31:08: dass sie auf der ganzen Welt am besten abschneiden in der Konkurrenz.
00:31:11: Und die Regierungen wollen aber nicht nur, dass ihre jeweiligen Unternehmen
00:31:16: auf dem Weltmarkt gut sind in der Konkurrenz, sondern sie wollen auch international
00:31:21: Kapital bei sich zu Hause ansiedeln,
00:31:24: also auch Unternehmen gewinnen, die bei ihnen auf ihrem Wirtschaftsstandort
00:31:28: Arbeitsplätze schaffen oder aber auch strategische Produktion ansiedeln.
00:31:34: Also Chipfabriken versuchen sie jetzt, Tesla. Das heißt, da holst du dir natürlich
00:31:38: jetzt auch wieder einen Widerspruch rein, weil wenn du jetzt Tesla holst,
00:31:41: dann sorgst du ja auch wieder für Konkurrenz im eigenen Haus sozusagen, ne?
00:31:46: Aber vielleicht nochmal ganz kurz zu Tesla. Wir haben ja jetzt in Brandenburg
00:31:49: in den letzten Monaten öfter mal Lob gehört.
00:31:52: Brandenburg hat jetzt ein bisschen Wirtschaftswachstum zu verzeichnen und mehr
00:31:56: Arbeitsplätze geschaffen.
00:31:58: Das ist ja natürlich vorwiegend oder stark auf Tesla zurückzuführen,
00:32:01: die da viele Arbeitsplätze geschaffen haben.
00:32:04: Und da sieht man das sehr schön, was es bedeutet, den Standort attraktiv zu machen.
00:32:08: Man hat Tesla, für meinen Geschmack, bis hin zum Fremdschämen,
00:32:12: extrem den roten Teppich ausgerollt als Politik, also als Regionalpolitik.
00:32:17: Und dazu gehört eben auch, dass akzeptiert wird, dass Tesla keine Tarifbindung
00:32:20: hat, dass die Arbeitsverhältnisse beschissen sind bei Tesla,
00:32:24: dass es auffällig viele Arbeitsunfälle gibt und so weiter.
00:32:27: Ja und dass man der Region das Wasser abgräbt. Genau, dass man ihr das Wasser
00:32:30: abgräbt. Aber die Politik kann sagen, aber wir haben Wachstum und wir haben
00:32:35: Arbeitsplätze geschaffen und lieber einen schlechten Arbeitsplatz als keinen Arbeitsplatz.
00:32:40: Und man sieht da eben sehr deutlich, dass was gemeint ist mit diesem Trickle-Down.
00:32:45: Es ist halt jetzt nicht ganz so richtig, dass es dann allen gut geht,
00:32:49: wenn sich das Wachstum oder Reichtum konzentriert, wie in dem Fall natürlich bei Elon Musk.
00:32:55: Tesla hat aber diese günstigen Standortbedingungen in Brandenburg für sich auszunutzen gewusst.
00:33:01: Das Bundesland hat da brav mitgemacht und ist in gewisser Weise ja auch erpressbar,
00:33:05: aber bevor wir da jetzt moralisch werden, möchte ich nochmal darauf hinweisen,
00:33:08: dass die deutschen Unternehmen auch weltweit Rohstoffe abbaut und Unternehmen
00:33:13: ansiedelt und dort produzieren lässt, wo die Produktionsbedingungen auch alles
00:33:17: andere als menschenfreundlich sind.
00:33:19: Also du kannst sagen, globaler Wettbewerb bedeutet, jeder benutzt den anderen
00:33:24: zu seinem eigenen Vorteil. Ja.
00:33:27: Das war jetzt die dritte Ebene und dann kommen wir zur vierten Ebene und dann
00:33:31: haben wir das Vier-Ebenen-Modell von Nuss vorgestellt.
00:33:34: Die vierte Ebene ist jetzt noch komplizierter, weil jetzt haben wir es nicht
00:33:39: nur damit zu tun, dass Unternehmen.
00:33:41: Nationale Unternehmen eines Landes weltweit gegeneinander konkurrieren,
00:33:46: sondern nationale Unternehmen sind in der Regel auch angehörig und zugehörig
00:33:51: eines bestimmten Machtblockes, also eines geopolitischen Machtblockes.
00:33:55: Und hier vervielfältigen und verkomplizieren sich die Gegensätze nochmal mehr.
00:34:00: Hier wird es dann übrigens auch richtig, richtig unschön, weil diese Nationalstaaten
00:34:06: miteinander in globalen, über diese Machtsphären,
00:34:08: in globalen Konflikten sich gegenüberstehen, Spannungsverhältnisse,
00:34:13: Handelskriege und so weiter, in denen dann diese einzelnen Unternehmen eingebunden sind.
00:34:18: Ich sage jetzt mal das Beispiel EU, China und USA.
00:34:21: Und jetzt muss man sich nochmal vor Augen führen, wie ich das gerade versucht
00:34:26: habe auseinanderzuklamüsen, wie stark miteinander diese Konkurrenzbeziehungen
00:34:31: wechselseitig auch verflochten sind und sich überlagern.
00:34:34: Und vor dem Hintergrund muss man sich nochmal vor Augen führen,
00:34:38: dass Europa und Deutschland auf dem Gebiet der grünen Technologien in diesem
00:34:43: ganzen Gewurschtel und internationalen Wettbewerb gewinnen wollen.
00:34:48: Also nicht einfach irgendwo, sondern speziell genau auf diesem Gebiet der grünen
00:34:52: Technologien wollen sie Weltmarktführer werden.
00:34:54: Man versteht dann vor diesem Hintergrund auch viel besser die gegenwärtigen
00:34:58: Spannungsverhältnisse oder manche sagen sogar schon Handelskriege mit China,
00:35:02: was ja derzeit ein großes Thema ist.
00:35:05: Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, die hat vor drei Wochen etwa einen
00:35:10: großen Aufmacher gehabt und hat den überschrieben mit der China-Schock.
00:35:15: Der Untertitel war, werden wir auf dem Weltmarkt verdrängt? Ja.
00:35:21: Jetzt dazu diesem Wir muss ich jetzt doch nochmal was sagen.
00:35:25: Wenn das Scholz sagt, Wir, oder wenn das meinetwegen die Unternehmer sagen,
00:35:29: Wir und damit irgendwie auch ausklamüsern, dass Wir nicht bedeutet,
00:35:33: dass es gemeinsame Interessen gibt.
00:35:35: Wenn das einen Journalist oder eine Journalistin macht oder wenn das die Medien
00:35:38: machen, dieses Wir, dann finde ich das ehrlich gesagt wirklich peinlich.
00:35:43: Es ist auch kein objektiver Journalismus, wenn sich Journalisten gemein machen
00:35:48: mit dem Land, in dem sie leben und arbeiten.
00:35:51: Also ich habe das auf der Journalistenschule noch gelernt, dass man sich bei
00:35:55: der Berichterstattung an den
00:35:57: Spielfeldrand stellen sollte, um von dieser Perspektive aus zu berichten.
00:36:02: Und ich muss mal sagen, fast niemand in den Medien macht das.
00:36:07: Mir ist es schon bei Corona aufgefallen, wo immer gefragt wird,
00:36:10: müssen wir jetzt alle Masken tragen oder müssen wir jetzt das und das tun?
00:36:14: Aber es ist jetzt gerade in diesem Feld der internationalen Wettbewerbsfähigkeit
00:36:17: passiert es ganz, ganz, ganz häufig, dass eben von wir gesprochen wird.
00:36:21: Das heißt, die Medien identifizieren sich und machen da im Grunde genommen,
00:36:25: wie ich finde, keinen guten Job. Aber da sieht man eben, dass diese Anrufung,
00:36:28: dass wir uns alle mit dieser nationalstaatlichen Identität sozusagen,
00:36:33: also damit identifizieren, wie gut es funktioniert.
00:36:36: Genau, richtig, weil das nämlich auch die Medien schon machen, dieses Wir.
00:36:41: Total richtig, genau. Aber um jetzt nochmal auf diesen Artikel,
00:36:46: der China-Schock zu kommen, da wird natürlich schon mal, finde ich,
00:36:49: mit diesem Schock, ja, und der China-Schock und das Foto, was da auch gezeigt wurde.
00:36:54: Ein mega monströses Auto mit einer riesigen roten China-Nationalfahne drübergelegt.
00:37:00: Da wird natürlich was transportiert. Da wird eine Feindlichkeit,
00:37:03: da wird eine Bedrohung sozusagen transportiert.
00:37:06: Und das ist ein bisschen das, was ich meine, dass jetzt China so ein bisschen
00:37:10: dasteht als der neue, wie soll ich das jetzt sagen, der neue feindliche Akteur.
00:37:15: Und das schlägt sich auch nieder in einer anderen sprachlichen Formulierung,
00:37:20: nämlich bezogen auf China spricht man nicht nur von Wettbewerber,
00:37:25: sondern auch von Systemrivale.
00:37:28: Und das ist der Unterschied der vierten Ebene zu der dritten.
00:37:32: Also auf der Ebene der verschiedenen globalen geopolitischen Machtsphären,
00:37:37: die gegeneinander konkurrieren, spricht man von Systemrivalen.
00:37:40: China ist unser System, unser, ich sag's jetzt auch schon.
00:37:43: China ist Deutschlands oder auch der Systemrivale der USA.
00:37:49: Das würde man von Italien nicht sagen. Italien ist kein Systemrivale.
00:37:52: Und da merkt man auch schon ganz deutlich, was da an einer neuen Ebene oben
00:37:56: drüber kommt, oben drüber gelegt wird.
00:37:58: Und genau zu dieser Begrifflichkeit Systemrivale habe ich mit Merle Kroneweg gesprochen.
00:38:04: Sie ist wie gesagt Mitarbeiterin am Seminar für Ostasienstudien und Vorstandsmitglied
00:38:09: von PowerShift, von dieser handelspolitischen NGO und sie sagt dazu folgendes.
00:38:15: Diese politische Systemrivalität, die du ansprichst, die hat ja nicht zuletzt
00:38:19: die EU-Kommission 2019 da in ihrem neuen China-Strategie-Papier auch benannt,
00:38:24: dass sie eben China als Partner sehen, als Wettbewerber und auch als systemischer Rivale.
00:38:28: Und die USA in ihrer letzten nationalen Sicherheitsstrategie sehen das ähnlich
00:38:33: und benennen China halt eben als den einzigen Akteur und da differenzieren sie
00:38:37: auch nochmal zwischen Russland und China,
00:38:38: der die sogenannte regelbasierte internationale Werte und Weltordnung nicht
00:38:44: nur herausfordern will und da bestimmte Dinge verändern,
00:38:46: sondern tatsächlich auch die materiellen Ressourcen hat, um das zu machen.
00:38:50: Auf einer wirtschaftlichen Ebene gibt es natürlich diesen sehr großen Konflikt
00:38:54: zwischen verschiedenen Kapitalismusmodellen, könnte man sagen.
00:38:57: Also einmal dem liberalen oder sagen wir mal liberaleren Kapitalismus,
00:39:02: der hierzulande vorherrscht und dann im eher staatskapitalistischen Modell in China.
00:39:06: Und ich denke, dass da eben durchaus dann eine Rolle spielt,
00:39:10: dass die EU und auch USA, also die dort ansässigen Unternehmen tatsächlich ähnliche
00:39:16: Interessen haben, wenn sie China betrachten. Sie haben ähnliche Interessen,
00:39:19: was den Marktzugang angeht.
00:39:20: Sie haben auch ähnliche Interessen, was jetzt eben eine vermeintliche billige
00:39:24: subventionierte Konkurrenz aus China angeht.
00:39:27: Da gibt es auf jeden Fall gemeinsame Nenner, warum man das als Gefahr betrachtet
00:39:31: sozusagen, auch auf einer systemischen Ebene, während sie natürlich miteinander
00:39:34: dann trotzdem auch wieder in Konkurrenz zueinander stehen.
00:39:37: Ja, das ist insofern interessant oder vor allen Dingen ambivalent,
00:39:40: weil man ja feststellen kann, China war lange der wichtigste Handelspartner
00:39:44: und jetzt ist es zum Systemrivalen von Deutschland geworden.
00:39:48: Also wie da dieser Shift stattgefunden hat und ich finde auch,
00:39:51: dass man in der Medienberichterstattung ja da teilweise sich wirklich sehr wundert,
00:39:55: wie das jetzt allgemein so geframed wird, China als die neue Bedrohung.
00:39:59: Ich meine, natürlich werden wir da auch nochmal drauf gucken.
00:40:01: An welchen Punkten sind da natürlich auch schwierige Dinge, wie China vorgeht,
00:40:05: aber an welchen Punkten ist es auch übertrieben, kann man nicht anders sagen.
00:40:09: Also ich denke, dass diese Systemrivale-Geschichte, vom Prinzip her war das
00:40:15: glaube ich immer in den letzten Jahrzehnten so, aber dass sie das jetzt so explizit
00:40:19: als Reaktion auf die aktuelle Situation in so Strategiepapieren auch so benennen.
00:40:24: Hier wie Merle gesagt hat, 2019, das fand ich nochmal interessant.
00:40:28: Und natürlich ist es völlig klar, dass wenn einerseits China wichtigster Handelspartner
00:40:35: bis vor kurzem oder eigentlich auch immer noch war und gleichzeitig aber Systemrivale ist,
00:40:40: dann ist natürlich logisch, was da für Widersprüche offensichtlich da inne liegen
00:40:43: und auch daraus resultieren.
00:40:45: Und jetzt noch mal ganz kurz was zu den Zahlen.
00:40:48: Also in diesem Jahr 2024, da war das in den ersten drei Monaten,
00:40:53: das wird immer quartalsweise gezählt, war China immerhin noch der zweitwichtigste
00:40:58: Handelspartner von Deutschland.
00:41:00: Vielleicht ganz kurz, um mal so ein Gefühl dafür zu geben, was das zahlenmäßig bedeutet.
00:41:05: Wenn wir jetzt mal angucken, was Deutschland insgesamt im Ausland einkauft,
00:41:10: Dann sind es 10,9 Prozent von allem, allem, allem, was Deutschland einkauft, kommen aus China.
00:41:17: Letztes Jahr waren es 11,7 Prozent. Dieses Jahr in den ersten drei Monaten immerhin 10,9 Prozent.
00:41:23: Und jetzt finde ich irgendwie interessant, was ist denn das eigentlich,
00:41:26: was Deutschland in China einkauft?
00:41:29: Und da sind es vor allem, klar, elektrische Geräte, Computer,
00:41:32: Smartphones, Maschinen, aber auch Produkte des täglichen Lebens. Ich sage nur Temu.
00:41:39: Ja, diese verrückte App, wo man so wahnsinnig billig Klamotten vor allen Dingen shoppen.
00:41:44: Ja, irre. Eine irre bizarre Umweltschweinerei auch, muss man jetzt echt mal sagen.
00:41:50: Aber hey, besten Auslesewettbewerb.
00:41:53: Also interessant fand ich die Aufteilung. Es waren ungefähr 86,3 Prozent der
00:41:59: Laptops kamen aus China, 60,5 Prozent der Smartphones.
00:42:04: Und jetzt wird es aber interessant für unser Thema. Hier, wir wollen Weltmarktführer
00:42:09: auf dem Gebiet der grünen Technologie werden, wir, also Europa und Deutschland.
00:42:13: 85,4 Prozent, irre viel, aller nach Deutschland importierten Photovoltaikanlagen kamen aus China.
00:42:22: Und fast die Hälfte der Lithium-Ionen-Akkus, grundsätzlich ist es die Hauptenergiequelle von Elektromobilität.
00:42:29: Also die Akkus, die stecken in E-Autos, in E-Bikes, in E-Scootern.
00:42:33: Da kam eben auch fast die Hälfte aus China.
00:42:37: Und mittlerweile hat man auch gezählt, 25,9 Prozent der Elektroautos kamen aus China.
00:42:43: Du hast jetzt gerade die Zahl genannt, über 80 Prozent aller nach Deutschland
00:42:47: importierten Photovoltaikanlagen kamen aus China. Das ist übrigens ja nicht
00:42:50: nur mit Blick auf Deutschland so.
00:42:52: China ist Weltmarktführer in diesem ganzen Bereich.
00:42:55: Also ich hatte die Zahl gefunden, dass die chinesischen Firmen mittlerweile
00:42:58: mehr als 80 Prozent der weltweiten Solarpaneele produzieren.
00:43:02: Und da sieht man einfach, was für einen irren Vorsprung dieses Land in diesem Bereich hat.
00:43:08: Also das ist jetzt so ein bisschen der Import, ja und wenn du dir jetzt den
00:43:12: Export anguckst, also was hat Deutschland nach China verkauft,
00:43:16: dann ist es natürlich im ersten Quartal 2024 ist das immer, dann sind es auch
00:43:20: Fahrzeuge, also Autos und Fahrzeugteile und immerhin im Wert von 5,9 Milliarden
00:43:26: Euro und dann habe ich auch gedacht, ey Leute jetzt mal wirklich,
00:43:30: also in China werden Autos produziert und dann nach Europa geliefert und hier
00:43:33: werden Autos produziert und dann nach China geliefert, geht es eigentlich noch?
00:43:36: Also macht es irgendeinen Sinn? Wirklich, also ich weiß auch nicht.
00:43:40: Jetzt mal allein die CO2-Emissionen für den ganzen Transport und was weiß ich.
00:43:44: Aber gut, mich fragt ja keiner.
00:43:46: So, jetzt haben wir also diese Exporte, wo ich jetzt gerade erwähnt habe,
00:43:50: die sind insgesamt gegenüber dem ersten Quartal 2023 zurückgegangen.
00:43:54: Tatsächlich, um 6,8 Prozent.
00:43:56: Das ist dann doch schon ein bisschen mehr. Und also nicht nur Fahrzeuge und
00:44:00: Fahrzeugteile werden da nach China verkauft oder exportiert.
00:44:05: Wir haben auch andere Sachen auf Platz zwei und drei.
00:44:07: Der wichtigsten Exportgüter stehen dann Maschinen und auch Datenverarbeitungsgeräte,
00:44:13: also auch vor allen Dingen optische Erzeugnisse.
00:44:16: Und jetzt möchte ich nochmal vor dem Hintergrund, dass Deutschland und die EU
00:44:21: Spitzenreiter sein möchte in Sachen Energiewende.
00:44:24: So wie du auch gesagt hast, Eva, China ist das gerade.
00:44:28: China ist da vorgeprescht und da kann man jetzt auch nochmal sich genau angucken,
00:44:33: mit welchen industriepolitischen Instrumenten haben sie das gemacht.
00:44:36: Da kommen wir auch nochmal drauf zu sprechen.
00:44:39: Aber jetzt erst mal soweit dazu, was die Ausgangslage insgesamt ist für die
00:44:45: Spannung, die derzeit mit China in den Medien stehen.
00:44:51: Ja klar, ich meine, man kann sich dann ja denken, dass aufgrund dieser großen
00:44:54: Konkurrenz und dem Kampf um diese Vorherrschaft im Feld der grünen Technologien,
00:44:59: dass das natürlich der Hintergrund ist, weshalb China jetzt unter anderem auch
00:45:03: als so bedrohlich dargestellt wird.
00:45:05: Und ich weiß ja, dass du dazu mit Merle Groneweg auch gesprochen hast,
00:45:09: aber das werden wir uns dann genauer in dem zweiten Teil dieser Folge anhören,
00:45:14: die wir im November absenden werden und das ist jetzt sozusagen so ein kleiner
00:45:17: Cliffhanger und wir hoffen, es hat euch heute schon Spaß bereitet und dass ihr
00:45:21: euch dann auf die Fortsetzung freut.
00:45:24: Ihr könnt uns wie immer schreiben, Kritik und Anregungen gehen bitte an die
00:45:28: Adresse armutszeugnis at rosalux.org und ich sage an dieser Stelle schon einmal:
00:45:35: Tschüss und bis bald. Tschüss, bis bald, bis zur nächsten Folge.
00:45:40: Music.
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