#12: Soziale Ungleichheit: Wie Steuerpolitik die Superreichen noch reicher macht ǀ Mit Julia Jirmann

Shownotes

Union, FDP und auch AfD wollen die Steuern senken und damit die Wirtschaft ankurbeln. Aber was bedeutet das und wer profitiert davon? Es sind vor allem die Superreichen, die ihre Privatvermögen weiter vermehren können, während der Staat weniger Einnahmen für öffentliche Aufgaben zur Verfügung hat. Das ist nicht überraschend: Steuerpolitik ist per se Klassenpolitik und der Gegensatz zwischen arm und reich wurde in den letzten Jahren durch verschiedene Steuerreformen erheblich verschärft. Eine liberalkonservative bzw. rechtskonservative Regierung wird diese Politik noch weitertreiben. Aber warum machen das die Leute mit? Und wie könnte man Vermögen zurück verteilen zu denen, die es tatsächlich erwirtschaftet haben, also zu den lohnabhängig arbeitenden Menschen und denjenigen, die durch ihre unbezahlte care-Arbeit den Laden am Laufen halten?

Darüber sprechen wir mit Julia Jirmann vom Netzwerk Steuergerechtigkeit. Die Expertin für Steuerpolitik bringt nicht nur einschlägige Zahlen und Fakten mit, sondern räumt auch mit ein paar gängigen Mythen auf.

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Transkript anzeigen

00:00:00: Music.

00:00:19: Hallo und herzlich willkommen beim Podcast Armutszeugnis, dem Wirtschaftspodcast

00:00:24: der Rosa-Luxemburg-Stiftung.

00:00:26: Hallo Eva. Hallo Sabine.

00:00:28: Hallo liebe Zuhörerinnen und Zuhörer. Erstmal wünsche ich noch ein frohes neues Jahr 2025.

00:00:34: Wir senden ja immer jeden zweiten Freitag im Monat. Also diese Folge wird am

00:00:39: 10. Januar ausgestrahlt. Da kann man ja noch frohes neues Jahr sagen.

00:00:42: Wir hatten in der letzten Folge ja schon gesagt, dass wir aufgrund dessen,

00:00:47: dass sich die Ereignisse so ein bisschen überschlagen, Stichwort Neuwahl,

00:00:51: eine Planänderung gemacht haben.

00:00:53: Wir haben nämlich in der Dezemberfolge uns dem sogenannten Wirtschaftswahlkampf

00:00:58: gewidmet, spontan, und haben dafür ein anderes Thema, nämlich das Thema Steuerpolitik, verschoben.

00:01:06: Ursprünglich wollten wir eigentlich im Januar eine kleine Winterpause machen,

00:01:10: aber eben auch aufgrund dieser Ereignisse, weil wir alles jetzt im Zeichen des

00:01:14: Wahlkampfs hier behandeln müssen zwangsläufig, machen wir jetzt im Januar doch eine Folge.

00:01:20: Und zwar genau zu diesem Thema Steuerpolitik.

00:01:23: Eva, du hast dafür mit der Julia Jirmann ein Interview geführt und zwar schon

00:01:29: im Vorfeld, wo wir jetzt einige für uns relevante und auch prägnante Teile senden

00:01:36: und kommentieren wollen.

00:01:37: Und vorab möchte ich vielleicht noch kurz sagen, dass wir hier unter leicht

00:01:41: erschwerten Bedingungen diese Folge aufnehmen. Wir sind nämlich nicht,

00:01:45: also zumindest ich bin nicht im Studio, weil ich etwas hört,

00:01:47: man vielleicht angeschlagen bin.

00:01:49: Und damit wir uns nicht anstecken, bin ich hier remote zugeschaltet.

00:01:53: Aber ich hoffe, dass man das nicht so sehr merkt.

00:01:57: Eva, jetzt nochmal zurück zu Julia Jirmann.

00:02:01: Julia arbeitet beim Netzwerk Steuergerechtigkeit. Das ist ein Verein.

00:02:07: In dem sich Gewerkschaften und Kirchen, aber auch entwicklungspolitische Organisationen

00:02:12: zusammengeschlossen haben, soziale Bewegungen und so weiter,

00:02:16: die sich dem Thema Steuergerechtigkeit widmen.

00:02:20: Und wenn ich es richtig verstanden habe, Eva, ist das dann doch ein relativ

00:02:23: kleines Team, was dann ganz hervorragende Arbeit leistet, oder?

00:02:27: Ja, das muss man unterstreichen.

00:02:30: Also ich gucke immer wieder sehr gerne auf die Webseite des Netzwerks Steuergerechtigkeit,

00:02:34: weil die wirklich sehr viele, sehr gute Studien machen und das vor allem immer

00:02:39: auch sehr anschaulich aufbereiten.

00:02:41: Und ich habe für diese Folge eben mit Julia Jirmann gesprochen.

00:02:44: Sie hat Volks- und Betriebswirtschaftslehre studiert, sowie auch Wirtschaftsrecht.

00:02:48: Und das fand ich jetzt auch nochmal ganz interessant für mich.

00:02:51: Sie hat vor ihrer Arbeit beim Netzwerk für die große Wirtschaftsprüfungsgesellschaft

00:02:56: KPMG gearbeitet und den Bund der Steuerzahler.

00:02:59: Das heißt, sie bringt sehr unterschiedliche Perspektiven für ihre Arbeit mit.

00:03:04: Und jetzt ist sie eben beim Netzwerk Steuergerechtigkeit und beschäftigt sich

00:03:08: da vor allem mit den Themen Vermögen, Erbschaften, hoher Einkommen und natürlich

00:03:12: mit allen steuerrechtlichen Fragen, die damit zu tun haben.

00:03:15: Und mit ihr habe ich eben ein längeres Interview geführt zu dem ganzen Thema

00:03:20: Umverteilung und vor allem auch, kommt in dem Interview eigentlich sehr schön

00:03:24: raus, Steuerpolitik ist immer auch Klassenpolitik.

00:03:27: Also es hat sozusagen immer einen ziemlich deutlichen Bias, dass die Vermögenden

00:03:33: und die sehr reichen Menschen in diesem Land von der Steuerpolitik eigentlich

00:03:38: seit Jahren und Jahrzehnten bevorteilt werden.

00:03:42: Während Lohnabhängige relativ hohe Steuersätze im realen Leben immer noch bezahlen

00:03:49: müssen, für die sozusagen längst nicht die Steuererleichterungen greifen,

00:03:54: die für die Hochvermögenden in diesem Land greifen.

00:03:57: Im Moment ist es ja, wenn ich das richtig verfolge, in den letzten Wochen auch

00:04:02: alles ein Zeichen dieses sogenannten Wirtschaftswahlkampfes so,

00:04:05: dass rauf und runter auch vom öffentlich-rechtlichen Fernsehen dargelegt wird,

00:04:09: dass es zwar nach außen immer so aussieht, ja,

00:04:12: die, die gut verdienen, bezahlen ja auch mehr Steuern, dass es aber unterm Strich

00:04:16: überhaupt nicht so ist und eigentlich Deutschland sogar ein Niedrigsteuerland ist.

00:04:21: Und da wird auch Julia Jirmann ganz oft derzeit dafür interviewt.

00:04:25: Ja, das finde ich auch sehr gut, dass das passiert.

00:04:28: Und ich glaube, es ist auch total wichtig, dass wir dieses Thema Umverteilung ganz stark pushen.

00:04:33: Für mich gibt es da eigentlich drei ganz wichtige Gründe, warum wir das tun

00:04:37: sollten. Auf die würde ich gerne ganz kurz eingehen.

00:04:41: Zum einen ist es ja einfach so, wir alle merken, das Leben wird immer teurer.

00:04:45: Und das ist auch in diesem Jahr wieder

00:04:46: so. Also wir haben jetzt steigende Zusatzbeiträge in den Krankenkassen.

00:04:51: Wir haben die Kfz-Versicherungen, die teurer werden, die Netzentgelte beim Strom.

00:04:56: Benzin unter anderem wird teurer wegen der Anhebung des CO2-Preises,

00:05:01: das Deutschland-Ticket kostet mehr und vieles mehr.

00:05:05: Und diese Erleichterungen, die es auf der anderen Seite gibt,

00:05:08: also Erhöhung Kindergeld oder auch diese leichten Veränderungen bei der Einkommenssteuer,

00:05:13: die wiegen das halt bei weitem nicht auf.

00:05:15: Und wir haben ja auch in den letzten Folgen schon öfter darüber geredet,

00:05:18: dass viele Menschen immer noch unter der Inflation leiden.

00:05:22: Und von daher ist das der eine wichtige Aspekt, weshalb Umverteilung für mich so wichtig ist.

00:05:28: Also Umverteilung eben mal andersrum, nämlich von oben nach unten,

00:05:31: weil wir da einfach ein soziales Gerechtigkeitsproblem haben.

00:05:35: Und weil einfach ja auch Studien zeigen und der gesunde Menschenverstand einem

00:05:38: sagt, wenn die Leute erleben, dass sie immer weniger in der Tasche haben und

00:05:42: einige ganz wenige immer mehr sind,

00:05:44: dann ist es einfach ein Ungerechtigkeitsgefühl und das führt dann auf lange

00:05:48: Sicht auch dazu, dass man so den Glauben in die demokratischen Institutionen verliert.

00:05:54: Ja genau, die anderen Sachen noch? Ja und die anderen Sachen,

00:05:57: zum einen sind es halt haushaltspolitische Gründe,

00:06:00: also klar ist, wir müssen an die Schuldenbremse ran, die muss reformiert werden

00:06:04: und vieles in einem Staat kann und muss kreditfinanziert werden an wichtigen Investitionen,

00:06:10: aber wir haben einfach so große Bedarfe und auch bei laufenden Ausgaben,

00:06:14: jetzt zum Beispiel für Personalkosten, da ist es schon sinnvoller,

00:06:17: das aus den Steuermitteln zu bestreiten.

00:06:19: Und das bedeutet aber, dass wir deutlich höhere Steuereinnahmen brauchen.

00:06:23: Und die müssen wir einfach holen bei den Leuten, die wirklich mehr als genug

00:06:27: Geld in diesem Land haben.

00:06:29: Damit wir eben soziale Infrastrukturen, die soziale Daseinsvorsorge ausbauen

00:06:33: können, aber auch einfach bessere Leistungen in den Versicherungssystemen aufbauen können.

00:06:38: Also Rente, Gesundheit, Pflegesystem, also Armut und Altersarmut,

00:06:42: die wachsen seit Jahren.

00:06:44: Und da fand ich jetzt auch nochmal total interessant, dass im Dezember der Paritätische

00:06:48: Wohlfahrtsverband wirklich nochmal eine wegweisende neue Studie vorgelegt hat.

00:06:53: Die haben nämlich auf Grundlage von Zahlen des Statistischen Bundesamts berechnet,

00:06:57: wie viel Einkommen den Menschen überhaupt noch bleibt, wenn die Wohnkosten abgezogen

00:07:01: werden. Das konnte man oder hat man bis dato nämlich noch nie so berechnet.

00:07:06: Und wenn man das erstmal abzieht, also was müssen Menschen für überteuerte Mieten

00:07:12: ausgeben in diesem Land,

00:07:14: dann kommt nämlich laut Paritätischem Wohlfahrtsverband daraus,

00:07:17: dass wir nochmal 5,4 Millionen mehr Menschen haben, die von Armut betroffen sind.

00:07:22: Und ich glaube, das zeigt einem einfach nochmal ganz, ganz deutlich,

00:07:25: dass wir ein Gegensteuern brauchen.

00:07:28: Wir brauchen eine andere Mietenpolitik, wir brauchen aber eben auch eine andere

00:07:32: Förderung für sozialen Wohnungsbau und dafür braucht es deutlich mehr Geld.

00:07:37: Und der dritte Grund, den ich extrem wichtig finde, das sind eben die machtpolitischen Aspekte.

00:07:43: Also enormes Vermögen schafft politische Macht über Einflussnahme,

00:07:47: über Lobbyarbeit, über Beziehungen.

00:07:48: Und ich glaube, uns allen ist das Extrembeispiel, Stichwort Elon Musk,

00:07:53: in den letzten Wochen und Monaten vor Augen geführt worden.

00:07:55: Das ist ja der reichste Mann der Welt, über 400 Milliarden US-Dollar Vermögen und wir sehen ja alle,

00:08:03: was passiert, wenn so jemand so viel politischen Einfluss gewinnt und wenn er

00:08:07: eben auch Zugriff hat auf so mächtige Social-Media-Plattformen und damit eben

00:08:12: Politik ganz massiv beeinflussen kann.

00:08:15: Und ich glaube, oder uns sollte es darum gehen, aber nicht so weit zu gucken,

00:08:20: denn wir haben genug Vermögende in unserem Land und wissen,

00:08:25: dass auch die politisch sehr viel Einfluss nehmen in ihrem Sinne und da geht

00:08:30: es einfach auch eigentlich um sehr wenige Familien.

00:08:33: Julia wird das nachher auch nochmal genauer auftröseln, aber wir sprechen hier

00:08:38: von 249 geschätzten Milliardenvermögen in diesem Land.

00:08:44: Also geschätzt, weil man das ja statistisch leider gar nicht so richtig erfassen

00:08:48: kann. Die Reichen und Vermögenden machen sich unsichtbar sozusagen.

00:08:52: Und verstecken sich, verstecken sich. Ja, also das Vermögen ist eben,

00:08:57: wird halt nicht so erfasst.

00:08:58: Da wissen wir immer noch zu wenig drüber. Und diese Milliardenvermögen,

00:09:03: knapp 250, die verteilen sich auf gerade mal 4300 Haushalte.

00:09:07: Und da wird einem schon bei dieser Zahl irgendwie einfach klar.

00:09:11: Wenn immer diese Debatten geführt werden, dass man um die Ohren gehauen bekommt,

00:09:16: ja, ihr wollt jetzt auch irgendwie den Mittelstand stärker belasten mit eurer

00:09:19: Steuerpolitik und wir alle müssen darunter leiden, wenn eine Vermögenssteuer kommt.

00:09:23: Ja, das ist einfach völliger Quatsch und das schauen wir uns heute auch nochmal

00:09:27: genauer an und schauen auch nochmal auf ein paar der reichsten Familien.

00:09:32: Ich will schon mal ein paar Namen hier nennen, also zum Beispiel der reichste

00:09:36: Mann in Deutschland ist laut so Reichenlisten Klaus-Michael Kühne,

00:09:41: der ist groß geworden im Logistikbereich, Hapag Lloyd unter anderem.

00:09:46: Dann gibt es andere Namen wie Dieter Schwarz, dem die Einzelhandelsketten Lidl

00:09:51: und Kaufland unter anderem gehören,

00:09:53: aber auch die Albrecht-Familie mit dem Einzelhandelsunternehmen Aldi.

00:09:57: Susanne Klatten und Stefan Quandt, die BMW-Erben, die werden heute auch nochmal

00:10:01: ein bisschen genauer unter die Lupe genommen von Julia.

00:10:04: Ja, und das sind alles so Namen, die man sich merken sollte und wo man auch

00:10:08: noch mehr findet, wenn man jetzt zum Beispiel in die Reichenliste guckt,

00:10:12: die das Forbes Magazin immer erstellt und auch tagesaktuell erstellt.

00:10:18: Da kann man nämlich einfach mal suchen nach den reichsten Personen in Deutschland

00:10:22: und dann kriegt man eine ganze Latte von Leuten aufgezählt, deren Namen man

00:10:25: vielleicht noch nie gehört hat, aber die über unglaublich viel Vermögen verfügen.

00:10:30: Wobei ich nochmal ganz kurz, bevor wir jetzt einsteigen in das Interview,

00:10:33: sagen möchte, dass ich persönlich die Konzentration auf die reichen Menschen,

00:10:39: egal ob es in diesem Land oder weltweit, da habe ich immer noch ein bisschen

00:10:42: Bauchschmerzen damit, auch wenn wir uns jetzt nur auf die Steuerpolitik konzentrieren,

00:10:47: weil dass es überhaupt Menschen gibt, die überdurchschnittlich und unglaublich absurd reich sind,

00:10:54: hat damit zu tun, dass sie die Macht haben, andere für sich arbeiten lassen zu können.

00:11:00: Und das ändert man jetzt erstmal weder mit, dass man denen was wegnimmt,

00:11:05: also zum Beispiel über Steuerpolitik oder erstmal Punkt, genau,

00:11:09: das ändert man damit erstmal nicht.

00:11:10: Man setzt quasi dann hinten an.

00:11:13: Also wenn alles schon gelaufen ist, die sind schon reich geworden und jetzt

00:11:16: sollen sie von diesem Reichtum was abgeben.

00:11:18: Und das führt dann eben dazu, dass die Leute oft erschrecken,

00:11:21: wenn man dann so Reichenkritik übt, dass man sagt, ah, die Linken wollen schon

00:11:25: wieder enteignen, die wollen den Leuten wieder was wegnehmen.

00:11:27: Und das ist immer so ein bisschen schwierig, finde ich, weil im Grunde genommen

00:11:31: müssten die Bedingungen verändert

00:11:32: werden, unter denen überhaupt so ein unglaublicher Reichtum entsteht.

00:11:36: Und nichtsdestotrotz ist es angesichts des Standes der öffentlichen Debatte,

00:11:42: die immer noch davon geprägt ist,

00:11:44: dass Reichtum durch persönlichen Einsatz und Fleiß kommt, trotzdem wichtig,

00:11:49: da nochmal hinzugucken und zu sagen, okay, es gibt eben zwei Ebenen.

00:11:52: Die eine Ebene ist, alles ist schon gelaufen.

00:11:55: Wir sind schon reich geworden. Wir, die Reichen, sind schon reich geworden über

00:11:58: die Ausbeutung der Arbeit anderer.

00:12:00: Und die andere Ebene ist auf basierend, also das jetzt schon vorausgesetzt,

00:12:05: die Art und Weise, wie diese Schere zwischen Arm und Reich funktioniert.

00:12:09: Unter anderem durch Steuerpolitik auseinander geht, gucken wir uns jetzt unabhängig

00:12:12: davon trotzdem mal an. Weißt du, wie ich meine?

00:12:15: Ja, ja, auf jeden Fall. Da würde ich dir auch zustimmen. Und das sind halt wieder

00:12:18: diese zwei Ebenen einer Kritik, die nochmal viel grundsätzlicher ansetzen muss

00:12:22: und auch nochmal sowieso die Strukturen in den Blick nehmen muss,

00:12:25: die eigentlich dahinter stecken.

00:12:27: Und denke ich jetzt mal, vor allem jetzt auch in den Wahlkampfzeiten,

00:12:31: ja, so ein eher nochmal vielleicht im Alltagsverstand der Menschen ansetzender Take, wo man sagt.

00:12:37: Okay, das ist zwar nicht alles, aber es ist ein extrem wichtiger Bereich,

00:12:41: dass wir es jetzt irgendwie mal schaffen müssen, dass wir zu einer Umverteilung

00:12:44: von oben nach unten kommen, statt wie in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten

00:12:48: immer andersrum, von unten nach oben.

00:12:51: Ja, und wir reden heute auch nochmal über so ein paar Mythen,

00:12:55: die eben mit so einem Umsteuern oder mit einer Rückverteilung,

00:12:59: die da immer wieder gerne bedient werden.

00:13:02: Und ich finde ein so ganz typisches Abdenkungsmanöver, das möchte ich direkt

00:13:06: mal so vorweg schicken, bevor Julia Jirman nachher auf andere noch eingeht,

00:13:10: das ist auch immer diese Debatte,

00:13:12: dass wenn wir über Vermögen reden wollen und die Hochvermögenden in diesem Land,

00:13:16: dass dann andere immer gerne so mit der Einkommensstatistik kommen.

00:13:20: Also das heißt mit den Verteilungsverhältnissen bei den Lohneinkommen.

00:13:24: Und da muss man mal sagen, das sind zwei unterschiedliche Paar Schuhe und das

00:13:29: ist zwar auch interessant, da immer mal wieder drauf zu gucken,

00:13:32: aber da spielt nicht die eigentliche Musik.

00:13:34: Die wirklich Vermögenden, die Unternehmensbesitzerin, die AnteilseignerInnen

00:13:38: in diesem Land, die gehen ja nicht für Löhne arbeiten, wie du ja gerade gesagt hast.

00:13:42: Die haben Vermögen und von daher ist der entscheidende Blick eben immer der

00:13:48: Blick auf die Vermögenskonzentration in diesem Land.

00:13:51: Ja, also dann steigen wir mal ein mit dem Interview von und mit Julia Jirmann

00:13:56: und vielleicht vorweg nochmal Blick auf den Wahlkampf.

00:14:00: Du hattest es erwähnt, Sabine, da wollen wir euch auch nochmal ganz herzlich

00:14:04: unsere letzte Folge zum Nachhören ans Herz legen, die Folge 11.

00:14:08: Und da haben wir ja schon gesprochen darüber, dass vor allen Dingen die Union,

00:14:11: aber auch die FDP den Wirtschaftsstandort Deutschland wieder flott machen wollen

00:14:15: für die internationale Wettbewerbsfähigkeit und das unter anderem über Steuersenkungen für Unternehmen.

00:14:20: Und Steuersenkungen für die Vermögenden in diesem Land.

00:14:24: Und da bin ich dann eingestiegen, auch mit einer Frage an Julia.

00:14:28: Ich wollte nämlich, bevor wir über die Vermögensverteilung in diesem Land sprechen,

00:14:32: von ihr erstmal hören, bringt solch eine Politik tatsächlich mehr Investitionen?

00:14:37: Also wenn man für die Unternehmen die Steuern senkt oder eben nicht?

00:14:40: Und da hören wir jetzt mal in die erste Antwort von Julia rein.

00:14:43: Genau, also wenn wir jetzt die Diskussion verfolgen, wenn wir jetzt uns überlegen,

00:14:47: was wollen wir denn mit Unternehmenssteuersenkungen, dann geht es ja darum,

00:14:50: dass Politik damit will, dass Investitionen angereizt werden bei den Unternehmen,

00:14:54: dass das Wirtschaftswachstum dadurch einsetzt.

00:14:57: Was wir aber wissen aus Studien, auch von sehr konservativen Forschungsinstituten,

00:15:02: Auftragsstudien der Unternehmensverbände, Unternehmenssteuersenkungen mit der

00:15:05: Gießkanne bringen kaum nennenswerte Investitionen und fast kein Wirtschaftswachstum.

00:15:10: Und sie finanzieren sich vor allem auch überhaupt nicht selbst.

00:15:13: Und sie sind aber wahnsinnig teuer natürlich und auch mit Blick auf die Schuldenbremse

00:15:18: im Prinzip eigentlich auch nicht zu finanzieren.

00:15:20: Was wir auch wissen ist, dass es Möglichkeiten dennoch gibt,

00:15:24: Unternehmen zu Investitionen anzureizen.

00:15:26: Und das wären beispielsweise zeitlich befristete Sonderabschreibungen auf Investitionen,

00:15:31: weil Unternehmenssteuersenkungen mit der Gießkanne führen auch dazu,

00:15:35: dass einfach angesparte, nicht investierte Gewinne steuerlich entlastet werden.

00:15:38: Vor allem verteilungspolitisch gehören natürlich Unternehmen und vor allem sehr

00:15:43: große Unternehmen, die Gewinne ansparen, vermögenden Menschen.

00:15:47: Verteilungspolitisch ist das

00:15:49: relativ eindeutige Maßnahme, die oberen und reichen Menschen zu entlasten.

00:15:54: Ja, das war Julia und vielleicht muss man einfach nochmal zwei fachliche Ausdrücke,

00:16:00: die sie benutzt, ganz kurz nochmal erklären.

00:16:02: Sie spricht ja da immer von den Sonderabschreibungen und sagt,

00:16:04: zeitlich befristete Sonderabschreibungen wären viel besser dafür geeignet,

00:16:08: Investitionen zu erzielen.

00:16:10: Das anzureizen und Abschreibungen, wer Steuererklärungen macht,

00:16:14: hat da vielleicht schon mal mit zu tun gehabt, wenn er sich eine größere Anschaffung

00:16:17: geleistet hat, ein Computer oder so.

00:16:19: Solche Güter nutzen sich ja ab und dafür darf man dann jährlich einen bestimmten

00:16:23: Betrag beim Finanzamt ansetzen, der die Steuer eben senkt.

00:16:26: Und im großen Stil ist das, was Julia hier meint, also dass zusätzlich und zeitlich

00:16:32: befristet solche Sonderabschreibungen den Unternehmen gewährt werden könnten,

00:16:36: quasi wie so weitere Freibeträge, die die Unternehmenssteuern dann mindern.

00:16:40: Der Vorteil daran ist eben diese zeitliche Begrenzung. Also das ist dann nichts,

00:16:45: was man steuerlich festschreibt für immer und dann eben auch nicht mehr aus

00:16:49: der Welt bekommt, sondern das sind temporäre Maßnahmen, die dann deutlich sinnvoller

00:16:53: wären als Unternehmenssteuersenkungen.

00:16:55: Also was Julia da gerade festgestellt hat, nämlich die Kritik lautet ja so,

00:17:01: dass man eigentlich mit einer bestimmten Politik gerne Investitionen anreizen

00:17:05: möchte, aber das gelingt gar nicht.

00:17:07: Die Unternehmen investieren deshalb gar nicht unbedingt mehr.

00:17:10: Im Gegenteil, es werden eher die Begünstigten noch mehr begünstigt.

00:17:14: Das ist ja die Kritik, wenn ich es richtig verstanden habe.

00:17:16: Und ich würde ja irgendwie denken, allein schon der Wunsch und der Wille,

00:17:20: Investitionen anzureizen, ist in sich schon ein Problem,

00:17:24: weil Wirtschaftswachstum und Investitionen bedeutet im Grunde genommen,

00:17:27: dass die Unternehmen Kapital investieren, um hinterher mehr Kapital zurückzukriegen.

00:17:33: Und das heißt, im Grunde genommen ist Investitionen die Unterstützung von Profit machen können.

00:17:38: Und das geht natürlich tendenziell immer auf Kosten von Arbeit,

00:17:42: also von Lohnkosten und auf Kosten von dem Einsatz von Naturressourcen.

00:17:47: Insofern finde ich, ist eine Politik zugunsten von mehr Investitionen immer ein Problem.

00:17:53: Es sei denn, man bindet die Investitionen an Auflagen.

00:17:56: Also man sagt, okay, wir wollen gerne, dass die Unternehmen investieren,

00:17:59: aber die Arbeitsbedingungen müssen gut sein. Die Natur muss ressourcenschonend

00:18:04: eingesetzt werden dafür und, und, und.

00:18:06: Das ist jetzt nochmal eine andere Diskussion. Ich will nur sagen,

00:18:09: dass sich die Kritik von Julia Jirmann noch einen Schritt weiter treiben würde,

00:18:13: als einfach nur zu sagen, aber die Unternehmen investieren dann gar nicht.

00:18:16: Ja klar, entscheidend ist natürlich die Frage, in was investiert wird.

00:18:20: Klar, auf jeden Fall. Genau, ich würde gerne nochmal auf einen anderen Aspekt

00:18:24: zurückkommen, nämlich jetzt im sehr konkreten Wahlkampfaspekt.

00:18:29: Die Union wirbt ja eben mit diesen großen Steuerentlastungen und da sind ja

00:18:33: nicht nur die Unternehmenssteuern mit gemeint, sondern sie wollen ja auch höhere

00:18:36: Freibeträge bei der Erbschaftssteuer.

00:18:38: Sie wollen den Solidaritätszuschlag abschaffen, der aber sowieso nur noch von

00:18:43: Unternehmen und Bestverdienenden gezahlt wird.

00:18:47: Sie wollen, dass der Spitzensteuersatz in der Einkommenssteuer später greift,

00:18:51: also ab höheren Einkommen und so weiter und so fort. Da gibt es noch ein paar andere Maßnahmen.

00:18:55: Und Stefan Bach vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung,

00:18:59: der hat eben mal schön ausgerechnet, dass das letztlich bedeutet,

00:19:02: Zum einen, dass die Union Steuerentlastung in Höhe von rund 99 Milliarden Euro

00:19:09: verspricht, ein enormer Batzen Geld.

00:19:11: Und dann hat er sich aber einmal angeguckt, wo landet denn dann dieses Geld?

00:19:15: Und gerade mal knapp 12 Milliarden Euro von diesen 99 Milliarden Euro,

00:19:20: die würden bei den unteren Einkommen ankommen.

00:19:24: Dann kommt noch ein Teil, also rund 35 Milliarden Euro, bei der Mittelschicht an.

00:19:28: Aber, und das ist natürlich wieder mal so der Knaller, über die Hälfte dieser

00:19:32: gesamten Entlastung, der fließt nur an die obersten 10 Prozent.

00:19:37: Und da sieht man einfach, das steuerpolitische Programm der Union,

00:19:41: das ist eine krasse Umverteilung von Steuergeldern wieder nach oben.

00:19:44: Und die zweite große Kritik, die ja dann immer geübt wird oder auch jetzt in

00:19:49: den Medien häufiger mal vorkam, ist dieses Argument, ja, aber das ist ja überhaupt

00:19:53: nicht gegenfinanziert bei der Union.

00:19:55: Und wir laufen in eine Situation, wo wir eh schon über Haushaltskürzungen sprechen.

00:20:00: Und jetzt will die Union eine Steuerpolitik fahren, wo dann der Staatshaushalt

00:20:04: nochmal 99 Milliarden Euro weniger zur Verfügung haben wird.

00:20:09: Und ich finde, die Kritik ist auch richtig, dass man das der Union vorhält.

00:20:13: Das ist nicht gegenfinanziert, aber sie springt auch einfach viel zu kurz.

00:20:17: Denn ich glaube, man muss sich klar machen, dahinter steckt jetzt nicht der

00:20:21: Unwille, dass man das gegenfinanziert, sondern das ist politisch gewollt aus meinen Augen.

00:20:25: Also die Lücke, die dann bei den Steuereinnahmen klafft, die wird eben genutzt,

00:20:30: um die nächsten Kürzungen durchzusetzen.

00:20:32: Das ist eben ein strategisches Moment, was man da schafft,

00:20:36: weil Steuersenkungen für Unternehmen und für Vermögen in diesem Land,

00:20:40: Die sind einfach Mittel zum Zweck, um Austeritätspolitik, also Kürzungspolitik

00:20:44: durchzusetzen und den Staat auch ein Stück weit zu beschneiden.

00:20:48: Und das will die Union ja auch in ganz wichtigen Feldern. Die sagt ja auch,

00:20:51: bei der Rente müssen wir kürzen, beim Bürgergeld müssen wir kürzen und so weiter.

00:20:55: Und das ist jetzt auch nichts, was ich mir so ausdenke oder zusammenreime,

00:20:59: sondern das hat ganz prominent ein Mitarbeiter des damaligen US-amerikanischen

00:21:04: Präsidenten Ronald Reagan gesagt.

00:21:06: Und der hat es damals ganz treffend benannt als sogenanntes strategisches Defizit,

00:21:11: also ein Staatsdefizit, das ganz gezielt politisch für andere Zwecke dann auch eingesetzt wird.

00:21:17: Und der Ökonom Peter Bofinger, der ist manchen sicherlich bekannt,

00:21:22: ein sogenannter ehemaliger Wirtschaftsweiser, der hat das mal ganz treffend so beschrieben.

00:21:27: Also jetzt ein kurzes Zitat. Wenn man die Rolle des Staates beschneiden möchte,

00:21:31: muss man ihm seine finanziellen Ressourcen entziehen.

00:21:34: In einem ersten Schritt werden umfangreiche Steuerentlastungen vorgenommen.

00:21:37: Bei unveränderten Ausgaben ergibt sich dadurch eine steigende Neuverschuldung.

00:21:42: Wenn man gleichzeitig in der Bevölkerung eine hohe Angst vor der Staatsverschuldung

00:21:46: schürt, wird alsbald ein hoher politischer Druck für die Ausgabenkürzungen geschaffen.

00:21:52: Und ich finde, das bringt total treffend auf den Punkt, womit man es hier eigentlich

00:21:56: zu tun hat und dass diese Kritik, das ist nicht gegenfinanziert,

00:21:59: so ein Stück weit zu kurz springt.

00:22:02: Ja, genau. Und Ausgabenkürzungen, das sehen wir auch in diesem Wahlkampf.

00:22:06: Ausgabenkürzungen im Sozialsystem, das ist ja auch ein großes Thema für die FDP oder die Union.

00:22:12: Und das schlägt natürlich vor allem irgendwie bei den niedrigen und mittleren

00:22:15: Einkommen dann zu Buche.

00:22:16: Und die sind davon betroffen, denn wer viel Vermögen hat, der braucht keine gesetzliche Rente,

00:22:21: der wird auch nicht arbeitslos und braucht dann irgendwie Arbeitslosengeld eins

00:22:24: oder Bürgergeld und der kann sich ja eh alles privat bezahlen,

00:22:27: was hier an öffentlicher sozialer Daseinsvorsorge in die Knie geht,

00:22:31: also von Privatschulen über privaten Kindergärten oder was weiß ich noch alles.

00:22:35: Und jetzt wollte ich vor diesem Hintergrund von Julia generell mal wissen,

00:22:40: wie ist denn die Situation, wenn wir auf die Vermögen in diesem Land gucken?

00:22:44: Also wie viel gibt es überhaupt?

00:22:46: Wie hat sich deren Vermögen so entwickelt in den letzten Jahren und Jahrzehnten?

00:22:50: Was hat das auch mit der Steuerpolitik zu tun? Und da würden wir gleich mal

00:22:54: in die zweite Antwort von ihr reinhorchen.

00:22:57: Wenn wir uns das die letzten 30 Jahre in Deutschland angucken, dann kann man sagen,

00:23:01: dass effektiv die sehr großen Vermögen steuerlich entlastet wurden und die Mitte

00:23:08: nicht nennenswert beziehungsweise sogar teilweise stärker belastet. Und warum ist das so?

00:23:14: Also wenn wir uns jetzt die Milliardenvermögen oder die reichsten 0,1 Prozent

00:23:18: anschauen, dann erzielen die vor allem Vermögenserträge aus Unternehmensanteilen,

00:23:24: aus Investitionen am Finanzmarkt.

00:23:26: Und die Steuern auf Unternehmen, die wurden in den letzten 30 Jahren halbiert

00:23:30: und es wurde die Möglichkeit geschaffen, dass Gewinne,

00:23:33: die ausgeschüttet werden auf Beteiligungsgesellschaften, also so eine Spardose

00:23:38: sozusagen für Superreiche, wo dort weiter heraus investiert werden kann oder

00:23:43: auch nicht oder was auch immer damit gemacht wird,

00:23:45: das kann ich nahezu steuerfrei machen.

00:23:48: Und dann gab es, also neben den Unternehmenssteuersenkungen eben diesen Möglichkeiten

00:23:52: in Beteiligungsgesellschaften anzusparen, noch die Vermögenssteuer,

00:23:55: die natürlich abgeschafft wurde.

00:23:57: Also einmal die Vermögenssteuer, die Nettovermögenssteuer.

00:24:00: Dann die Gewerbekapitalsteuer, also auch noch eine zusätzliche Vermögenssteuer,

00:24:04: die es gab bis in den 90er Jahre für Unternehmen.

00:24:07: Und die haben natürlich zusätzlich noch entlastet. Wenn wir uns das jetzt mal in Zahlen angucken,

00:24:12: dann können wir sagen, dass der effektive Steuersatz auf das gesamte wirtschaftliche

00:24:16: Einkommen, also auf alle Vermögenserträge, die im Unternehmen angespart werden,

00:24:20: die in Beteiligungsgesellschaften angespart werden,

00:24:23: dass der ungefähr sich halbiert hat, also von 60 auf weniger als 30,

00:24:27: also teilweise sogar mehr als halbiert.

00:24:29: Und wenn wir auf die breite Mitte schauen, dann sehen wir, dass die Lohnsteuer,

00:24:34: also die Einkommenssteuer für sehr hohe Arbeitseinkommen, auch die wurde gesenkt.

00:24:39: Der Spitzensteuersatz wurde abgesenkt und auch die Mitte, die durchschnittlichen

00:24:43: Einkommen wurden sozusagen ein kleines Stück weit entlastet,

00:24:46: wenn man sich anguckt, was vor 30 Jahren auf ein durchschnittliches Einkommen angefallen ist.

00:24:49: Aber gleichzeitig wurden eben die Sozialbeiträge erhöht und die belasten natürlich

00:24:54: die Mitte deutlich stärker und im Weiteren wurden noch Verbrauchssteuern bzw.

00:24:59: Mehrwertsteuern erhöht. Also auch eine Steuer, die vor allem die Menschen belastet,

00:25:04: die ihr Einkommen verkonsumieren oder ausgeben müssen.

00:25:07: Und deswegen kann man sagen, dass die unteren Bevölkerungs-,

00:25:11: also die ärmeren Bevölkerungsteile heute mehr Steuerlast zahlen als vor 30 Jahren

00:25:16: und oben entlastet wurde.

00:25:19: Also das finde ich jetzt schon sehr eindrücklich, das mal so in Zahlen und Fakten

00:25:24: nochmal sich anzuhören, weil das ist genau das, was du eingangs gesagt hast,

00:25:28: wo man wunderbar sehen kann, dass Steuerpolitik Klassenpolitik ist.

00:25:32: Dass in den letzten Jahrzehnten verstärkt die Begünstigsten und die Superreichen

00:25:39: steuerpolitisch entlastet worden sind.

00:25:42: Und also man kann ja eigentlich sagen, Arbeit ist belastet worden,

00:25:46: Kapital ist entlastet worden.

00:25:48: Und ich finde das auch, wie soll ich jetzt sagen, schwierig.

00:25:52: Weil das ja unglaublich viele Fachkenntnis bedarf, um das zu verstehen.

00:25:58: Ja, also es fängt ja schon an bei effektiver Steuersatz. Was ist das eigentlich?

00:26:02: Was bedeutet das, wenn ich sage, Beteiligungsgesellschaften sind ein Steuersparmodell?

00:26:06: Wie funktioniert eigentlich genau Unternehmensbesteuerung? Also um durchschauen

00:26:11: zu können, wie diese Klassenpolitik funktioniert, muss ich ja eigentlich Steuerfachexpertin sein.

00:26:16: Und ich frage mich immer, wer ist das eigentlich? Aber vielleicht kannst du

00:26:18: das ja alles mal ganz kurz erklären, Eva. Ja, ich kann es zumindest versuchen,

00:26:22: möchte aber jetzt auch nochmal ausdrücklich einen Werbeblock für die Arbeiten

00:26:25: vom Netzwerk Steuergerechtigkeit einschieben.

00:26:28: Die geben zum Beispiel im Jahrbuch raus, jedes Jahr.

00:26:31: Und was ich da wirklich immer super finde, ist, dass die mit sehr vielen anschaulichen

00:26:34: Grafiken und sehr prägnanten Zahlen darin arbeiten. Und da wird einem schon

00:26:39: mal so auf einen ersten Blick sehr deutlich gemacht, was Steuerpolitik hier

00:26:44: für Wirkung in diesem Land hat.

00:26:46: Also das kann ich nur wärmstens empfehlen, da mal reinzugucken.

00:26:49: Genau, aber gehen wir vielleicht die einzelnen Punkte nochmal durch, die Julia anführt.

00:26:53: Also wie funktioniert Unternehmensbesteuerung? Ganz grob kann man sagen,

00:26:56: die funktioniert in zwei Stufen.

00:26:58: Das heißt, zuerst werden die Unternehmensgewinne besteuert per Körperschaftssteuer,

00:27:02: per Gewerbesteuer und auch per Solidaritätszuschlag.

00:27:05: Und in zweiter Stufe wird dann das, was privat ausgeschüttet wird an die UnternehmenseignerInnen,

00:27:11: das wird dann auch noch besteuert, aber eben mit der pauschalen Kapitalertragssteuer

00:27:17: von 25 Prozent und der Solidaritätszuschlag kommt noch drauf.

00:27:22: Und da sieht man schon mal auch den ersten Klassen-Bias.

00:27:25: Statt dass diese Einkommen der reichen Unternehmensbesitzerin auch progressiv

00:27:29: besteuert werden, also ansteigend je mehr Einkommen die haben.

00:27:35: Wird es eben mit einem pauschalen Satz von 25 Prozent besteuert.

00:27:39: Und da müsste man schon mal auf jeden Fall von wegkommen.

00:27:43: Es gilt da auch so ein bisschen dieses Sprichwort, der Teufel kackt immer auf

00:27:48: den größten Haufen, wenn ich das mal so sagen darf.

00:27:51: Nämlich es macht einfach einen Unterschied, ob ich von 10.000 Euro 25 Prozent

00:27:55: Steuern bezahle oder von 100.000.

00:27:58: Und das ist genau das, was du sagst. Auch diese Steuer müsste progressiv sein.

00:28:04: Ja, auf jeden Fall, genau. Und dazu kommt ja noch,

00:28:08: Julia hat es ja so schön als Spardose für die Superreichen beschrieben,

00:28:12: dass ja ganz viele Hochvermögende, die brauchen ja die regelmäßigen Gewinnausschüttungen

00:28:17: aus den Unternehmen gar nicht auf ihrem Privatkonto.

00:28:20: Die haben ja eh genug Geld und das heißt, sie erwähnt ja da die sogenannten

00:28:24: Beteiligungsgesellschaften.

00:28:25: Es gibt ja auch andere Gesellschaften oder andere Konstruktionen,

00:28:28: mit denen dann Hochvermögende Geld sparen können.

00:28:31: Und aber vielleicht mal auf diese Beteiligungsgesellschaften eingegangen.

00:28:35: Das sind also Konstruktionen, wo das Geld nicht an die Leute privat ausgeschüttet

00:28:41: wird, sondern es fließt in so eine Beteiligungsgesellschaft,

00:28:44: um von dort aus weiter investiert zu werden und von dort aus weitere Gewinne zu realisieren.

00:28:49: Und Beteiligungsgesellschaft heißt es eben, weil aus diesen Gesellschaften heraus

00:28:53: sich dann beteiligt wird an anderen Unternehmen, denen man erstmal nichts zu tun hatte.

00:28:59: Aber da erwirbt man dann eben Unternehmensanteile, hält die,

00:29:03: veräußert die, je nachdem, was eben mehr Geld bringt.

00:29:06: Und wenn man dieses Geld aus den Unternehmen in diese Beteiligungsgesellschaften

00:29:11: schiebt, dann, und das sprach Julia

00:29:14: ja an, dann fällt eben nicht diese 25-prozentige Abgeltungssteuer an.

00:29:21: Das ist total super, weil da merkt man nämlich abermals, ich muss es echt an

00:29:25: die, die das nicht sowieso schon teilen, immer mal wieder sagen,

00:29:28: Unternehmen sind Melkkühe und die Kühe, die gemolken werden,

00:29:32: sind die Menschen, die da arbeiten.

00:29:34: Es ist einfach so. Und ich finde, bei diesem Investieren, damit sich Geld vermehrt,

00:29:38: indem es einfach in irgendein Unternehmen stecke, wird das so wahnsinnig gut deutlich.

00:29:42: Von wegen durch Fleiß wird man reich und so weiter. Ja, auf jeden Fall.

00:29:46: Und ich meine, es gibt ja dann die weiteren Beispiele, die sie anführt,

00:29:50: vielleicht auch dazu nochmal zwei Worte.

00:29:52: Sie geht auf die Nettovermögenssteuer ein, die ausgesetzt worden ist und zwar 1997.

00:30:00: Die ist also nicht ganz abgeschafft, aber nicht mehr in Kraft.

00:30:03: Die Vermögenssteuer galt in Deutschland von 1923 bis 1996, also viele,

00:30:09: viele Dekaden und zuletzt eben mit einem Steuersatz von einem Prozent.

00:30:14: Und dann hatte Karlsruhe, also das Verfassungsgericht, moniert,

00:30:18: dass Immobilienbesitz bei dieser Vermögensbesteuerung ungerecht oder nicht angemessen

00:30:23: besteuert wird, weil eben zu niedrig, weil eben diese Bemessungsgrundlagen da

00:30:28: nie nachgebessert worden sind.

00:30:29: Es gab ja Wertzuwächse dann auch für die Immobilien und die Grundstücke.

00:30:34: Aber statt das nachzubessern, hat damals die Regierung unter Helmut Kohl einfach

00:30:38: entschieden, ja gut, dann setzen wir die Steuer halt aus.

00:30:41: Und warum nennt sie das Nettovermögenssteuer? Weil es eben ist,

00:30:44: dass bei dieser Vermögenssteuer nur das Nettovermögen, also Finanz- und Sachwerte,

00:30:49: besteuert werden und zwar nach Abzug von Schulden und Verbindlichkeiten,

00:30:53: also von Krediten, die man hat.

00:30:54: Das wird dann natürlich gegengerechnet.

00:30:59: Und dass diese Vermögenssteuer abgeschafft wurde, ist eben ein ganz großes Problem.

00:31:04: Und sie erwähnt ja dann auch noch eine weitere Steuer, die abgeschafft wurde,

00:31:09: die sogenannte Gewerbekapitalsteuer, die wurde 1998 abgeschafft.

00:31:13: Und wenn man früher eine Fabrik hatte, dann musste man eben diese Gewerbekapitalsteuer

00:31:18: zahlen und zwar unabhängig davon, ob diese Fabrik auch Gewinne erwirtschaftet hat.

00:31:22: Und heute ist es so, dass eben nur noch dieser Gewerbeertrag besteuert werden

00:31:27: und nicht das Kapital selber.

00:31:29: Aber das ist damals eben nach der Kritik eben aus der Unternehmenslobby eben

00:31:35: auch abgeschafft worden, die Gewerbekapitalsteuer.

00:31:39: Aber sag mal, du hast ja auch mit Julia gesprochen über den Stand der Dinge, der Vermögenden.

00:31:47: Also wie viele gibt es überhaupt und so weiter und so fort. Kannst du dazu nochmal

00:31:51: was sagen oder einspielen? Ja, das mache ich gleich gerne.

00:31:54: Ich wollte nur nochmal einen kurzen Punkt aufgreifen, inhaltlich.

00:31:57: Also ich finde auch nochmal so eindrücklich, wenn man sich anguckt,

00:32:01: Julia hat ja die Sozialbeiträge erwähnt, die immer weiter angestiegen sind,

00:32:06: aber sie erwähnt ja auch nochmal die Verbrauchssteuer.

00:32:10: Und das finde ich auch nochmal so extrem wichtig, sich in Erinnerung zu rufen,

00:32:15: weil der Einkommenssteuer, die wird ja progressiv erhoben.

00:32:18: Also je höher oder je mehr Einkommen man hat, desto höhere Steuersätze werden fällig.

00:32:23: Aber bei den ganzen Verbrauchssteuern, unter anderem der Umsatzsteuer,

00:32:26: ist das eben nicht der Fall. Und das heißt natürlich, dass Leute mit wenig Geld

00:32:30: davon ungleich härter betroffen sind.

00:32:33: Die müssen einfach ihr gesamtes Geld auch ausgeben für Waren des täglichen Lebens

00:32:37: und zahlen da eben die gleichen Steuersätze wie Hochvermögende oder sehr gut Verdienende.

00:32:43: Und eben diese Verbrauchssteuern, die sind auch immer weiter angestiegen.

00:32:47: Also der Mehrwertsteuersatz, der lag 1968 noch bei 10 Prozent und der liegt mittlerweile.

00:32:54: Bei 19 Prozent. Und wenn man sich anguckt, die Lohnsteuer, die macht 26 Prozent

00:33:01: Anteil am Steueraufkommen aus, aber eben die Umsatzsteuer allein 32 Prozent.

00:33:06: Und wenn man die ganzen anderen Verbrauchssteuern darauf noch zusammenzählt,

00:33:10: dann sind das insgesamt rund 40 Prozent Verbrauchssteuern, die eben nicht progressiv erhoben werden.

00:33:16: Und das ist einfach auch nochmal so ein klassenpolitischer Aspekt darin.

00:33:21: Aber du hattest nach der Anzahl der Milliardären gefragt und genau das war eben

00:33:26: auch meine Frage an Julia.

00:33:28: Und auch nochmal die Frage, wie kommt man eigentlich überhaupt an Daten über

00:33:33: diese MilliardärInnen ran?

00:33:35: Und genau, da hören wir jetzt nochmal rein. Also bei den Milliardären kann man

00:33:39: tatsächlich von Westdeutschen sprechen.

00:33:42: Es sind auch ein paar Frauen darunter, aber schon deutlich weniger als Männer.

00:33:45: Aber bis heute noch kein offiziell ostdeutsches Milliardenvermögen.

00:33:51: Und wir sehen oder wir arbeiten dann auch, wie die Ungleichheitsforschung im

00:33:56: Allgemeinen, mit reichen Listen vom Manager-Magazin von Forbes,

00:34:00: weil wir, seit wir die Vermögenssteuer in Deutschland ausgesetzt haben,

00:34:03: keine offizielle amtliche Vermögensstatistik mehr haben.

00:34:06: Also wir müssen uns auf das verlassen, was Journalisten liefern,

00:34:09: die eigentlich jetzt nicht keine Forscher und keine Wissenschaftler sind,

00:34:12: sondern eben Journalisten.

00:34:14: Und da wissen wir, dass das Manager-Magazin aktuell oder für das vergangene

00:34:18: Jahr 249 Milliarden Vermögen zählt.

00:34:21: Mit meinem Kollegen haben wir auch in einer Studie uns die Milliarden Vermögen

00:34:25: angeguckt und haben da auch noch das eine oder andere gefunden,

00:34:27: was überhaupt nicht in der Liste steht.

00:34:30: Ausgerechnet die reichste Familie ist nicht gelistet, weil sie sich gerichtlich

00:34:33: gegen das Manager-Magazin vor vielen Jahren gewährt hat.

00:34:36: Das sind die Familien hinter dem Pharmakonzern oder Pharmavermögen Böhringer Ingelheim, also die.

00:34:41: Böhringer vom Baumbach. Wir haben Immobilienmilliardäre, weil die keine richtigen

00:34:45: Unternehmen haben. Das finden die Journalisten die auch nicht so gut.

00:34:48: Also da fehlen noch ein paar. Und dann haben wir auch gesehen,

00:34:51: dass die Vermögen teilweise unterschätzt sind, also vom Volumen her,

00:34:55: also im Durchschnitt doch relativ deutlich.

00:34:58: Und das liegt natürlich daran, dass die Journalisten auch nicht darauf aus sind,

00:35:02: die absolute Höhe der Vermögen zu bestimmen, sondern eine Reihenfolge.

00:35:05: Also das geht um ein Ranking, wer ist der reichste, wer ist der zweitreichste.

00:35:08: Genau, und das können wir sehen. Und alles andere ist eigentlich ganz interessant,

00:35:14: dass wir in Deutschland da so mit Behelfsrechnungen immer arbeiten müssen,

00:35:18: weil die Daten nicht vorliegen einfach.

00:35:21: Ja, ich fand das irgendwie sehr interessant, dass man nochmal klargemacht bekommt,

00:35:24: die Datenlage ist so wahnsinnig schlecht und dass aber das Netzwerk Steuergerechtigkeit

00:35:29: da wirklich sehr verdienstvolle Arbeit jetzt gemacht hat.

00:35:31: Julia erwähnt da ja eine Studie, die werden wir auch in den Shownotes verlinken,

00:35:36: wo sie wirklich nochmal gegraben haben.

00:35:38: Und weitere Milliardenvermögen ans Tageslicht befördert haben.

00:35:42: Das findet ihr also dann in den Shownotes.

00:35:45: Und ich muss mich auch ein bisschen korrigieren, sie hat ja jetzt hier die reichste

00:35:49: Familie in Deutschland erwähnt, Böhringer-Baumbach oder Böhringer von Baumbach.

00:35:53: Und ich hatte am Anfang ja Klaus-Michael Kühne genannt, aber gut,

00:35:57: die spielen alle sozusagen in der obersten Liga und da hatte ich auch nochmal

00:36:01: gefunden, dass vier Familien, also Böhringer von Baumwachs, die Quant Klattens von BMW.

00:36:08: Dann Schwarz und Kühne, dass die eben mehr Vermögen besitzen als die gesamte

00:36:13: ärmere Bevölkerungshälfte zusammen.

00:36:15: Ich glaube, das macht nochmal so ganz gut die Dimensionen klar.

00:36:19: Ja, und ich wollte dann von Julia auch nochmal gerne wissen,

00:36:22: wie haben sich denn diese Milliardenvermögen eigentlich in den letzten Jahren

00:36:26: und Jahrzehnten entwickelt und was spielt die Steuerpolitik da auch für eine Rolle bzw.

00:36:31: Was entgeht dem Staat auch an Einnahmen? Da hören wir jetzt nochmal rein.

00:36:36: Wenn wir, und da haben wir die Daten auch wieder seit 2001 uns angeguckt,

00:36:40: weil da erschien das erste Mal das Manager Magazin.

00:36:42: Und wenn wir uns die Vergleiche, also haben wir gerechnet, wie haben die sich

00:36:46: denn seit 2001 entwickelt?

00:36:48: Die 100 größten Vermögen in Deutschland

00:36:50: sind also 460 Milliarden Euro mehr wert, als sie 2001 das waren.

00:36:56: Nette Zahl zum Vergleich. Die Vermögenssteuer wurde ja 1997 ausgesetzt.

00:37:00: Und wenn wir uns angucken, wie viele Steuern seitdem nicht eingenommen wurden

00:37:04: durch die Vermögenssteuer, seit sie ausgesetzt ist, dann sind das über 400 Milliarden

00:37:08: Euro, also ungefähr auch so ein bisschen die Summe, um die die Milliardenvermögen gewachsen sind.

00:37:14: Und dann kann man sich natürlich im Vergleich noch angucken,

00:37:16: die Vermögen können ja einfach wachsen, wenn die ärmere Bevölkerung auch entsprechend zulegt.

00:37:21: Und da sind die Daten aber auch relativ eindeutig, dass allein seit den 70er

00:37:27: Jahren hat die ärmere Hälfte der Bevölkerung ungefähr ihr Vermögen halbiert,

00:37:32: also den Anteil, den sie am Gesamtvermögen hat.

00:37:34: Also die ärmere Hälfte der Bevölkerung ist ärmer geworden und die oberen Bevölkerungsteile

00:37:40: haben ein Stück weit zugelegt.

00:37:42: Deswegen kann man davon auch sprechen, dass die Schere zwischen Arm und Reich

00:37:45: auch bei den Vermögen in den letzten 50 Jahren auseinandergegangen ist und die

00:37:50: Mitte kleiner geworden ist.

00:37:52: Also wenn ich es richtig verstanden habe, sind es 400 Milliarden Euro,

00:37:57: die wir eigentlich zur Verfügung hätten, wenn andere Bedingungen,

00:38:01: steuerpolitische Bedingungen geschaffen worden wären und auch jetzt noch tun.

00:38:05: Jetzt frage ich mich, abgesehen davon, dass ich das toll fände,

00:38:08: wenn man mir diese 400 Milliarden Euro einfach auf mein Konto überweisen würde,

00:38:12: aber gesellschaftlich Sinnvolles dafür machen könnten.

00:38:15: Was würde das ermöglichen, Eva?

00:38:18: Nur mal so als Idee. Naja, es gibt ja zum Beispiel diese Berechnung von den

00:38:20: Arbeitgebern und dem IMK der Hans-Böckler-Stiftung, die da sehr einhellig einer

00:38:25: Meinung sind, dass wir eigentlich zusätzlich zu dem, was wir schon investieren.

00:38:29: Jedes Jahr 60 Milliarden Euro in die Hand nehmen müssten, um all die Herausforderungen

00:38:34: hier gesellschaftlich zu stemmen.

00:38:35: Und wahrscheinlich ist diese Summe sogar noch unterschätzt.

00:38:38: Und da könnte man schon mal sagen, gut, wenn wir dieses Geld jetzt hätten,

00:38:41: dann könnte man in den nächsten sechs bis sieben Jahren all diese Investitionserfordernisse angehen.

00:38:47: Oder wenn man auf die Kommunen guckt, was die für einen Investitionsrückstau

00:38:51: haben, ja, der liegt bei rund 190 Milliarden Euro insgesamt.

00:38:55: Da könnte man sagen, ja super, dann hätten wir schon mal doppelt so viel,

00:38:58: wie die derzeit an Investitionsrückstau haben.

00:39:01: Also wir könnten das aufarbeiten und hätten noch mehr Geld auch darüber hinaus zur Verfügung.

00:39:07: Okay, das wäre doch ein Argument. Genau, also es ist einfach Geld,

00:39:11: was wir dringend benötigen.

00:39:13: Weißt du, man denkt doch immer, also ich denke immer, Leute,

00:39:16: das muss doch allen einleuchten.

00:39:19: Weißt du, ich denke, ich verstehe es nicht, warum die Leute nach wie vor mehrheitlich

00:39:24: Parteien wählen, die eigentlich genau diese Systematik noch verschärfen und

00:39:29: verschlimmern. Das will mir nicht in den Kopf.

00:39:31: Ja, da kommen wir ja nachher nochmal darauf zu, wie wirkmächtig eben auch mit

00:39:34: Mythen öffentlichkeitswirksame Politik gemacht wird. Ich glaube,

00:39:37: das ist ein ganz, ganz wichtiger Punkt da drin.

00:39:39: Aber ich hatte Julia vorher nochmal gefragt, weil ich das wusste,

00:39:43: dass sie sich in ihrer Arbeit damit auch auseinandergesetzt haben,

00:39:46: ob sie denn mal auf eine Milliardärsfamilie ein bisschen genauer schauen kann

00:39:51: und mal ein bisschen auseinander zu dröseln, was bei denen eigentlich so los

00:39:55: war in den letzten Jahren und wie die profitiert haben von der Politik.

00:39:59: Und genau das kann sie auch machen und zwar anhand des Vermögens der Familie

00:40:04: Klatten und Quandt, also anhand der BMW-Erben.

00:40:08: Und da hören wir jetzt erst nochmal rein.

00:40:11: Genau, wir haben uns die BMW-Erben angeguckt. Genauer jetzt auch nicht,

00:40:14: weil wir die besonders unsympathisch finden oder nicht mögen,

00:40:17: sondern weil sie einfach schlicht mit die reichsten Personen sind und die Datenlage ganz gut ist.

00:40:21: Also weil das sind ja, ihr Hauptvermögen besteht ja in BMW-Anteilen und da sind

00:40:26: einfach sehr lange Bilanzen sozusagen zurück zu verfolgen.

00:40:30: Und deswegen kann man an dem Beispiel ganz gut sehen, wie sich der Steuersatz

00:40:34: entwickelt hat Und jetzt auch nicht, weil das Steuerhinterzieher sind oder weil

00:40:38: die besonders gewieft sind in ihren Strukturen,

00:40:41: sondern einfach nur daran kann man gut verdeutlichen, wie sich das Steuerrecht entwickelt hat.

00:40:45: Und dann sehen wir, dass 1996 der effektive Steuersatz noch bei über 60 Prozent

00:40:51: lag und jetzt, 30 Jahre später,

00:40:55: der nur noch bei 25 Prozent liegt, weil BMW auch nicht 30 Prozent Unternehmenssteuern

00:41:00: zahlt, weil sie ja viel Geschäft auch in Ungarn, also in Niedrigsteuerländern

00:41:03: haben, kommen sie auf nicht mal den deutschen Unternehmenssteuersatz.

00:41:06: Also der Steuersatz hat sich da mehr als halbiert und gleichzeitig haben sich

00:41:11: die Vermögenserträge in dem gleichen Zeitraum fast verhundertfacht.

00:41:15: Also die sind stark gestiegen.

00:41:18: Dass sich das verhundertfacht hat, liegt es natürlich nicht nur an dem Steuersatz.

00:41:22: Was wir aber bei BMW ganz schön sehen, ist, dass der Steuersatz halbiert hat,

00:41:26: die Gewinne auch angespart wurden

00:41:27: steuergünstig, aber dass BMW heute eben nicht mal mehr das wert ist.

00:41:33: An der Börse, was in der Bilanz steht. Tatsächlich hat sich BMW nicht besonders

00:41:38: gut entwickelt, ist in der Krise und trotzdem konnte man damit sozusagen sehr, sehr reich werden.

00:41:44: Was hat BMW mit dem Gewinn gemacht? Also ein Teil ist im Unternehmen geblieben.

00:41:48: Da sehen wir, dass sehr viele Konsumentenkredite in China vergeben wurden.

00:41:52: Dann sind aber auch, also quasi nicht in Deutschland, jetzt sinnvoll investiert

00:41:56: wurden oder in irgendeiner Weise, sondern dass da eben sehr viel dahin geflossen ist.

00:42:00: Dann sehen wir bei den Ausschüttungen, also die aus BMW rausgeflossen sind,

00:42:05: also als börsennotiertes Unternehmen, schüttet BMW eben nicht nur an die Kationäre

00:42:09: aus, sondern eben die andere Hälfte auch an die BMW-Erben, Susanne Klatten und Stefan Quandt.

00:42:13: Und das landet dann in deren Beteiligungsgesellschaften.

00:42:16: Und da verliert sich dann so ein Stück weit auch die Spur, was mit dem Geld

00:42:20: ganz konkret passiert. Also das sieht man nur ein Stück weit in den Beteiligungsgesellschaften.

00:42:24: Ja, ich fand das BMW-Beispiel auch nochmal so interessant, weil das ja verknüpft

00:42:28: ist mit der ganzen Frage der Krise in der Automobilindustrie und weil Julia

00:42:31: ja das so schön auf den Punkt bringt, dass man trotz dieser Krise,

00:42:34: die jetzt vielfach beschworen wird,

00:42:36: als Unternehmenseigner sehr schön reich damit werden kann.

00:42:40: Da ist es egal, ob in so einem Unternehmen in irgendeiner Form eine Krise,

00:42:44: wie auch immer die dann tatsächlich aussieht, existiert oder nicht.

00:42:48: Das eigene Vermögen wächst und wächst. Und vielleicht nochmal nachgeliefert,

00:42:52: die Geschwister Klatten und Quandt, Und da wird geschätzt, dass die 2023 so

00:42:57: ungefähr zwischen 40,5 und 45,5 Milliarden Euro an Vermögen haben.

00:43:04: Euro. Ja, also einfach eine verrückte Zahl.

00:43:07: Und ich möchte an der Stelle auch nochmal sagen, mir geht es jetzt auch nicht

00:43:10: darum, ständig irgendwie so auf einzelne Personen mit dem Finger zu zeigen und

00:43:14: zu sagen, die sind ganz schlimm.

00:43:15: Dahinter stehen natürlich strukturelle Verhältnisse. Aber ich finde es in der

00:43:19: politischen Auseinandersetzung eben doch wichtig, zuzuspitzen.

00:43:23: Und zuzuspitzen, indem man eben überhaupt erst mal sichtbar macht,

00:43:26: was diese Leute eigentlich an Vermögen haben und wie sich dieses Vermögen vermehrt.

00:43:31: Und ich finde es auch richtig, das durchaus so zu skandalisieren und da auch die Namen zu nennen.

00:43:37: Ich finde, das ist einfach ein wichtiger politischer Ansatz,

00:43:41: weil ich glaube, man muss das Leuten irgendwie auch begreifbar machen.

00:43:45: Ja, aber es ist natürlich auch deshalb so, dass Personalisierung immer einfacher

00:43:50: ist, als Strukturen zu kritisieren, weil Strukturen hat sowas Abstraktes.

00:43:55: Aber Julia Jirmann hat ja in ihrer Antwort auch, ich würde jetzt mal sagen,

00:43:59: relativiert, weil sie hat gesagt, sie hätten sich jetzt die Familie Klappenquant

00:44:03: nicht rausgesucht, weil sie die besonders unsympathisch finden,

00:44:06: sondern weil man an deren Vermögensverhältnissen sehr gut aufzeigen kann,

00:44:11: wie es zu dieser Ungleichverteilung kommt oder wie es zu dieser Konzentration des Reichs.

00:44:15: Und das fand ich total wichtig, dass sie das nochmal ergänzt.

00:44:19: Weil selbst wenn jetzt Familie Klattenquant aus irgendwelchen Gründen nicht

00:44:23: mehr reich wäre, weil, was weiß ich, sie ausreichend kritisiert wurde,

00:44:27: würden neue Familien Klattenquants nachwachsen, wenn man eben nichts an den Strukturen verändert.

00:44:33: Das fand ich nochmal gut, dass sie das nochmal wenigstens gestriffen hat,

00:44:36: dass es nicht um Personalisierung geht. Ja, da hast du recht.

00:44:40: Genau, und auch was du nochmal gesagt hast mit, obwohl die Autoindustrie in

00:44:44: der Krise ist, können die Unternehmenseigner darüber reich werden.

00:44:49: Da würde ich auch sagen, wenn bei Unternehmen Leute,

00:44:54: viele, viele Beschäftigte entlassen werden, dann gehen oft die Aktienkurse hoch,

00:44:59: weil das sozusagen die Hoffnung ist, dass man die Rendite erhöhen kann dadurch,

00:45:04: woran man abermals sieht, dass es den Unternehmen nicht, darum geht,

00:45:09: Arbeitsplätze zu schaffen,

00:45:10: sondern immer nur darum geht, mit Hilfe von Arbeitsplätzen Rendite zu machen.

00:45:15: Und das ist, man muss das immer noch mal dazu sagen, weil ich das Gefühl habe,

00:45:19: durch die Personalisierung verschwinden die dahinter liegenden Strukturen.

00:45:24: Deshalb bin ich immer so der kleine Papagei, der immer mal wieder dazwischen ruft.

00:45:28: Guckt euch die Strukturen an und ich finde, man darf das auch nicht gegeneinander ausspielen.

00:45:33: Ja, die einen kritisieren die Reichen, die anderen die Strukturen,

00:45:35: sondern das gehört ganz eng zusammen. Ja, das finde ich auch absolut, genau.

00:45:40: Ja und jetzt kommen wir aber mal zu dem Punkt, den du vorhin auch angesprochen hattest.

00:45:44: Man kann ja in der Tat manchmal ein bisschen verzweifeln daran,

00:45:46: dass sich hier so wenig bewegt bei der steuerpolitischen Umverteilung oder zumindest

00:45:52: bei der richtigen steuerpolitischen Umverteilung. Und da habe ich auch länger

00:45:55: mit Julia drüber gesprochen.

00:45:56: Wie kann das denn sein, dass in Umfragen immer wieder viele Menschen sagen,

00:46:00: es geht sozial ungerecht in diesem Land zu und sogar auch sagen,

00:46:03: wir brauchen eine andere Besteuerung oder eine andere Steuerpolitik mit Blick

00:46:06: auf die Superreichen und dann doch so wenig passiert.

00:46:10: Und da haben wir uns jetzt ein bisschen länger mit beschäftigt.

00:46:13: In einzelnen Abschnitten spielen wir jetzt die Antworten von Julia da ein und

00:46:16: dann starten wir jetzt mal mit ihrer ersten Antwort.

00:46:19: Dann kann ich auch noch sagen, dass es tatsächlich ein Befund ist,

00:46:22: dass die meisten Menschen sich eine höhere Umverteilung wünschen,

00:46:25: dass die meisten Menschen auch in einer Umfrage sagen würden,

00:46:28: wollen sie eine Vermögenssteuer?

00:46:29: Ja, aber dass dann oft quasi nicht so viel dahinter steht. Also dass sich dann

00:46:33: Menschen sehr leicht, sobald eine Person im Raum sagt, aber dann passiert auch

00:46:38: das, wieder einschüchtern lassen.

00:46:39: Also sozusagen ihre Pro-Vermögensteuer relativ schnell dann wieder zurücknehmen,

00:46:44: eben weil es sehr viele Mythen gibt, eben weil das Verhetzungspotenzial von

00:46:48: den Lobbyorganisationen sehr groß ist und die Menschen, glaube ich,

00:46:52: Steuerpolitik auch nicht so hochhängen, vielleicht wie ich jetzt sagen würde, dass es hingehört.

00:46:56: Oder es spielt dann bei der Wahl eben doch nicht so eine wichtige Rolle,

00:47:00: für welche Partei ich mich entscheide.

00:47:02: Und die Mythen, die jetzt so am gängigsten sind, dann geht es natürlich immer

00:47:06: darum, dass wenn sehr reiche Personen Steuern zahlen müssen.

00:47:11: Vermögenssteuern, dass es dann sich unmittelbar auf die Arbeitsplätze auswirkt.

00:47:16: Wir sehen ja, ich habe ja gesagt, vor 30 Jahren waren die Steuern teilweise

00:47:21: auch bei den Unternehmen an sich ja doppelt so hoch und das hat jetzt ja auch

00:47:24: nicht zu Problemen mit den Arbeitsplätzen geführt.

00:47:27: Wir sehen bei den Standortfaktoren, das ist, was die Forschung auch aktuell

00:47:32: sagt, Steuern einfach gar keine entscheidende Rolle spielen.

00:47:35: Wenn ein Unternehmen irgendwo investiert, dann investiert es dort erstmal,

00:47:39: wo es Gewinne machen kann.

00:47:40: Und zweitens sind Faktoren wie Arbeitskräfte, Lohnkosten wichtiger als die Steuern,

00:47:48: die die Unternehmen zahlen oder die etwa dann durch Vermögenssteuern anfallen.

00:47:52: Und ich würde sagen, bei den meisten Menschen verfängt das Argument der Steuerflucht ganz gut.

00:47:57: In der Politik ist das, glaube ich, nicht das Entscheidende,

00:48:00: weil die meisten Politiker wissen, dass da nicht so viel dahinter steht.

00:48:03: Aber das spielen auch die Lobbyverbände immer relativ stark,

00:48:06: dass wenn ihr mich besteuert, dann steige ich ins Flugzeug und fliege weg mit

00:48:10: meinem Unternehmen und mit meinem ganzen Geld. Und das geht natürlich erst mal

00:48:13: gar nicht so einfach, weil wir in Deutschland eine relativ gute Wegzugssteuer haben.

00:48:17: Das heißt, Gewinne und Wohlstand, was in Deutschland erwirtschaftet wurde,

00:48:21: ja auch mit Infrastruktur, mit den gut ausgebildeten Arbeitskräften,

00:48:25: mit der Rechtssicherheit, die es hier gibt, das Vermögen kann ich nicht einfach

00:48:29: steuerfrei mit ins Ausland nehmen, mit gutem Grund.

00:48:32: Und da haben wir eine relativ gut funktionierende Wegzugssteuer.

00:48:35: Und würde ich sagen, die schützt uns noch sogar besser als in vielen anderen

00:48:39: Ländern. Ja, ich wollte noch mal ganz kurz was sagen.

00:48:43: Julia hat das auch angesprochen, dass es offensichtlich Diskrepanz gibt,

00:48:47: wenn ich das jetzt richtig verstanden habe, zwischen den Umfragen und der Beteiligung

00:48:52: oder den Entscheidungen, die die Leute dann bei der Wahl treffen.

00:48:56: Also laut Umfragen ist die Mehrheit der Leute in Deutschland für,

00:49:00: sagen wir jetzt mal, Vermögensteuer oder für eine Umverteilung via Steuerpolitik.

00:49:03: Es schlägt sich aber nicht in den Wahlen nieder. Weil wenn du dir jetzt zusammenrechnest,

00:49:07: FDP, AfD, CDU, dann sind das die Parteien, die eigentlich für genau das stehen,

00:49:13: was wir kritisieren, nämlich eine Umverteilung von unten nach oben.

00:49:17: Das finde ich schon interessant.

00:49:18: Also da weiß ich jetzt gar nicht, was ich dazu sagen soll, aber es ist doch

00:49:21: merkwürdig, warum dieses Unbehagen in der Bevölkerung über die Umverteilung

00:49:28: sich nicht niederschlägt in der tatsächlichen Wahlentscheidung.

00:49:32: Ja, ich glaube halt, dass das tatsächlich mit so vielen und unterschiedlichen

00:49:37: Mythen zu tun hat, die einfach immer wieder geritten werden öffentlichkeitswirksam.

00:49:41: Ja, und wo es ja auch eine große Lobby gibt, die immer wieder behauptet,

00:49:43: wenn jetzt die Vermögenssteuer kommt, dann gehen Arbeitsplätze verloren.

00:49:47: Und ich meine jetzt in diesem Umfeld von die Konjunktur läuft nicht richtig,

00:49:51: ist das natürlich immer nochmal eine schwierigere Debatte?

00:49:54: Oder können die Gegner in einer Vermögensbesteuerung da nochmal,

00:49:58: glaube ich, stärker darauf aufsatteln, dass sie sagen, nein,

00:50:00: das dürfen wir jetzt auf keinen Fall machen. Es gibt ja auch viele andere Mythen.

00:50:04: Also ich glaube, das ist schon sehr wirkmächtig und man hat es auch in Untersuchungen ja so festgestellt,

00:50:10: dass auch in vielen Medien ein sehr gefärbtes

00:50:15: Bild über solche Themen wie Vermögensbesteuerung lange Zeit existierte.

00:50:19: Also mit einem klaren Hang dazu, eher immer zu sagen, das ist schwierig,

00:50:25: da gehen Arbeitsplätze verloren und so weiter.

00:50:28: Und erst so in den letzten Jahren hat sich das so ein bisschen ausgepegelt und

00:50:33: ausgependelt, dass das eher so im Gleichgewicht ist.

00:50:36: Aber ich finde, man sieht halt immer in Wahlkampfzeiten, machen natürlich sehr

00:50:41: starke Medienkonzerne, jetzt Springer oder was weiß ich wer noch,

00:50:45: die machen halt dann richtig Stimmung und das verfängt eben auch bei den Leuten.

00:50:49: Also das ist immer so ein bisschen meine Erklärung dafür. Und andererseits muss

00:50:52: man ja auch sagen, wer guckt sich wirklich die steuerpolitischen Programme und

00:50:56: so das Klein-Klein tatsächlich im Detail an.

00:50:59: Also das ist ja auch ein trockenes Thema und es ist ein kompliziertes Thema.

00:51:04: Danke Eva, dass du das jetzt auch mal sagst. Ja, ja, auf jeden Fall.

00:51:07: Also es ist ein Herrschaftswissen.

00:51:10: Das ist ein Herrschaftswissen.

00:51:12: Das blicken die Leute glaube ich auch nicht, dass man mit diesem Herrschaftswissen,

00:51:16: dass man das auch ausnutzen kann, dass die Leute sich da nicht reinarbeiten.

00:51:19: Jeder hat ja mit seiner eigenen Steuererklärung genug zu tun.

00:51:22: Und dann sollte man sich auch noch in diese ganze staatliche Steuerpolitik einarbeiten.

00:51:26: Wer macht das schon? Und weißt du, solche Argumente, die dann in den Talkshows

00:51:30: gebracht werden von Unternehmen oder von Unternehmenseignerinnen,

00:51:34: die dann sagen, wir können gar keine Vermögensteuer bezahlen,

00:51:37: weil dann würden wir pleite gehen, weil unser ganzes Vermögen ist in den Sachwerten gebunden.

00:51:41: Da steht eine Fabrik, da steht eine Immobilie, da sind Maschinen,

00:51:44: da ist das ganze Vermögen gebunden.

00:51:46: Das Betriebsvermögen meine ich jetzt. Was sagst du denn da dagegen?

00:51:50: Das klingt ja erst mal plausibel.

00:51:52: Die haben kein Geld, die sind mittellos quasi, bedürftig. Absolut mittellos.

00:51:57: Also ich finde da nochmal so zwei Dinge total wichtig. Das eine,

00:52:01: Julia hatte das ja auch erwähnt, die Wegzugsteuer.

00:52:04: Ich kannte diesen Ausdruck vorher auch gar nicht.

00:52:06: Ich auch nicht. Ja, aber ich bin da wirklich auch nochmal ein bisschen schlauer

00:52:10: geworden, denn es gibt mittlerweile und über die Jahre nachgeschärft tatsächlich

00:52:14: so einen umfassenden Werkzeugkasten gegen Steuerflucht bei der Einführung von der Vermögenssteuer.

00:52:19: Und das sind verschiedene Steuern, nicht nur die Wegzugbesteuerung,

00:52:22: dann gibt es auch so schöne Ausdrücke wie die Entstrickungsbesteuerung und die

00:52:26: Besteuerung von Funktionsverlagerungen.

00:52:29: Da will ich jetzt gar nicht im Detail drauf eingehen, aber das bedeutet dann

00:52:33: eben unter anderem, dass wenn reiche Vermögende tatsächlich ins Ausland gehen,

00:52:38: dass ihre Unternehmensanteile tatsächlich durch solche Steuern so besteuert

00:52:44: würden, als hätten die die jetzt verkauft.

00:52:46: Also man fingiert da wie so ein Verkauf und dann erhebt man entsprechende Steuer drauf.

00:52:51: Und auch bei so Unternehmensverlagerungen kann dann besteuert werden.

00:52:55: Und die Organisation Oxfam hat das sehr schön in der Studie nochmal rausgearbeitet.

00:52:59: Die lautet keine Angst vor Steuerflucht.

00:53:02: Die stellen wir nochmal auch in die Shownotes, die Informationen zur Studie.

00:53:06: Und die dröseln das sehr gut auf. Die sagen nämlich, es gibt mittlerweile einfach

00:53:11: gute steuerliche Werkzeuge, um das zu verhindern.

00:53:15: Und das andere Argument, wir können das nicht bezahlen.

00:53:17: Da gibt es ja auch einfach viele Mittel und Wege, wie man das regeln kann.

00:53:22: Also man kann langfristige Stundungen gewähren, also dass die Steuer über Jahre

00:53:26: bezahlt werden muss und nicht jetzt auf einen Schlag.

00:53:30: Und dann kann die Steuer ja auch erst aus künftigen Erträgen,

00:53:33: die erzielt werden, aus künftigen Gewinnen bezahlt werden.

00:53:36: Die Unternehmen können natürlich oder die Unternehmenseigner können natürlich

00:53:39: zinsgünstige Kredite aufnehmen oder es ist ja auch immer ein beliebtes Argument,

00:53:44: dass die Unternehmen sagen, oh Gott, wenn wir das jetzt alles zahlen müssen.

00:53:47: Können wir das nicht und dann müssen wir uns schreckliche Finanzinvestoren ins

00:53:50: Haus holen und die schlachten das Unternehmen dann aus.

00:53:53: Ja, aber auch dagegen gibt es ein Mittel.

00:53:56: Der Staat kann als sogenannter stiller Teilhaber in solche Unternehmen einsteigen

00:54:00: und dann müssen eben keine Finanzinvestoren reingeholt werden,

00:54:04: damit da irgendwie Geld flüssig gemacht wird.

00:54:07: Auf Teufel komm raus und das Unternehmen dann eben irgendwie ausgeschlachtet

00:54:10: wird oder schlechtere Arbeitsbedingungen anbietet.

00:54:13: Also es gibt wirklich viele Möglichkeiten, aber über die wird halt kaum gesprochen.

00:54:17: Ja, vor allen Dingen, weißt du, ich meine, das ist ja erstmal gar keine schlechte

00:54:21: Idee, der Staat als stiller Teilhabe, als Übergang und dann übergibt das an

00:54:25: die Gesellschaft und dann hätten wir Vergesellschaftung vielleicht als kleinen

00:54:28: Transformationsschritt.

00:54:30: Ja, kleiner Transformationsschritt. Genau, ein kleiner.

00:54:34: Aber was ich so absurd finde, ist, jetzt stell dir mal vor, was ich noch viel

00:54:38: schlagender finde, ehrlich gesagt.

00:54:40: Wenn ich persönlich, Sabine, sage, Leute, die Steuer, die ich da jetzt zahlen

00:54:46: muss, die kann ich mir nicht leisten, die ist gebunden. Ja, also ich muss ja

00:54:50: irgendwie in meinem Computer, in mein was weiß ich, was ich zu Hause so habe, I'm sorry.

00:54:55: Ich meine, das ist doch eigentlich das Argument. Ja, stell dir mal vor,

00:54:58: wir würden das alle machen.

00:54:59: Es gibt, glaube ich, viele Menschen, die sich das nicht leisten können,

00:55:02: eine Steuernachzahlung oder am Ende des Jahres Freiberuflerinnen und so. Nur mal so.

00:55:07: Ja, auf jeden Fall. Aber du kommst halt nicht vom Haken. Also wenn du jetzt

00:55:10: lohnabhängig bist, dann wird einfach deine Steuerschuld automatisch ja abgezogen monatlich.

00:55:16: Da hast du überhaupt keine großartigen Möglichkeiten, irgendwas zu vermeiden.

00:55:20: Und wenn du selbstständig bist, dann musst du halt irgendwie deine Steuererklärung

00:55:23: abgeben und dann musst du bezahlen. Und wenn du es nicht machst, kriegst du Probleme.

00:55:27: Ja, genau. Und jetzt haben wir diese Mythen uns schon so ein bisschen angeguckt,

00:55:31: aber es gibt ja noch weitere.

00:55:32: Ich sage nur mal Stichwort Omas Häuschen wird wegbesteuert bei der Erbschaftsbesteuerung.

00:55:37: Und auch da habe ich mit Julia drüber gesprochen und fand es auch,

00:55:40: das vielleicht nochmal vorab, ganz interessant, als ich nämlich mit meiner Mutter

00:55:43: jetzt über die Weihnachtstage oder zwischen Weihnachten und Silvester haben

00:55:46: wir auch so ein bisschen mal kurz über den Wahlkampf gesprochen und es ging

00:55:49: um andere Besteuerungen.

00:55:51: Und das kam dann auch direkt als Argument, dass sie so gesagt hat,

00:55:54: ja, aber dann geht doch irgendwie auch Erbe verloren, was vielleicht auch uns

00:55:58: betreffen könnte, Omas Häuschen und so weiter und so fort.

00:56:01: Und ich musste da wirklich so ein bisschen grinsen, weil ich so dachte,

00:56:04: ja, da sieht man, es steckt in den Leuten halt total tief drin.

00:56:08: Und dazu muss man aber sagen, wir haben in Deutschland sehr,

00:56:11: sehr hohe Freibeträge in der Erbschaftssteuer. Die gehören zu den höchsten in

00:56:15: den OECD-Ländern und da ist es so, dass Ehepartner ja sowieso schon eine halbe

00:56:19: Million vererben können.

00:56:21: Kinder und Stiefkinder können bis zu 400.000 Euro steuerfrei bekommen,

00:56:26: Enkelkinder bis zu 200.000 Euro und so weiter.

00:56:29: Das schichtet sich dann nach unten ab. Ja, und ich habe meine Mutter dann nur

00:56:33: so angeguckt und habe gesagt, wir sind da lange Meter nicht von betroffen.

00:56:36: Ja, also auf solche Werte kommen wir überhaupt nicht.

00:56:39: Aber das ist ja, das ist fest in den Köpfen drin.

00:56:44: Genau. Und dazu habe ich Julia eben auch nochmal befragt. Und da hören wir jetzt nochmal rein.

00:56:49: Debatte, die jetzt die meisten Ökonomen und auch die Parteien führen,

00:56:53: da geht es um die weitreichenden Ausnahmen für wirklich sehr,

00:56:56: sehr große Unternehmensvermögen, die dazu führen, dass wir aktuell zwar eine

00:56:59: Erbschaftssteuer haben,

00:57:01: aber die die ganz großen Vermögen am niedrigsten oder besonders niedrig besteuert,

00:57:05: also eine sehr regressive Steuer.

00:57:06: Das heißt, die Armen reichen in der Mitte, die ein paar Immobilien erben,

00:57:10: die zahlen durchaus die Steuer und die sehr großen Unternehmenserben nicht,

00:57:15: obwohl man einfach sagen könnte,

00:57:17: auch ihr könntet die Steuer zahlen, ihr stundet sie halt, euch ist das Gleiche

00:57:20: zuzutrauen als Unternehmenserben wie dem Unternehmensgründer oder dem Mensch,

00:57:26: der einen Kredit aufnehmen muss, um ein Unternehmen zu gründen.

00:57:28: Das ist allen auch zuzutrauen, aber das machen wir aktuell nicht.

00:57:32: Und dann ist das natürlich ein sehr cleverer Schachzug, dann einfach nur an

00:57:36: Omas Häuschen und an das Unrechtsgefühl zu appellieren, dass wer in Deutschland

00:57:40: ein kleines Vermögen erbt, darauf Steuern zahlen muss.

00:57:43: Und da ist es erst mal so, dass wir im internationalen Vergleich mit die höchsten

00:57:46: Freibeträge haben, wer von seinen Eltern was erbt, kann 400.000 Euro erben.

00:57:50: Und das von jedem Elternteil und das vor allem auch aller zehn Jahre wieder.

00:57:54: Und da, wo auch die kleinen Vermögen sind, wird das auch geplant.

00:57:57: Und ganz gut genutzt sozusagen.

00:58:00: Also schon jetzt was überschreiben und dann in zehn Jahren nochmal.

00:58:03: Also auch da fallen in der Regel kaum Steuern an.

00:58:07: Ich habe gerade beispielsweise mit einem Steuerberater aus Ostdeutschland gesprochen

00:58:11: und wollte was für eine Erbschaftssteuererklärung wissen und der hat gesagt,

00:58:14: der hatte noch nie eine in der Hand.

00:58:16: Also der macht jetzt 20 Jahre Steuererklärung, aber der hatte noch nie einen

00:58:19: Erbschaftssteuerfall.

00:58:21: Die meisten Menschen haben nicht das Glück, sich darüber Gedanken machen zu

00:58:25: müssen, ob sie Erbschaftssteuer zahlen.

00:58:26: Die meisten erben einfach nichts oder sind so weit weg von den Freibeträgen.

00:58:30: Ja, ich fand, bei der Erbschaftssteuer ist es halt noch mal besonders grotesk,

00:58:35: was für Ausnahmeregeln da für die hohen Vermögen gelten.

00:58:38: Und dass es tatsächlich auch ist, dass da tatsächlich mit so Bedürftigkeit argumentiert wird.

00:58:43: Also wo man dann wirklich sagen kann, wenn man sehr, sehr, sehr reich ist,

00:58:47: dann kann die Argumentation lauten,

00:58:49: man hat aber aktuell das Vermögen einfach nicht verfügbar, also nicht flüssig

00:58:52: und das gilt dann schon als man sei bedürftig und deswegen gibt es dann sogenannte

00:58:57: Verschonungsbedarfsprüfungen, wo einem dann die Steuer erlassen wird.

00:59:01: Und da hat das Netzwerk auch ein Beispiel mal gebracht.

00:59:06: Also in 2022 gab es in 24 Fällen, Erbschaftsfällen, da wurde Vermögen übertragen

00:59:12: von jeweils 240 Millionen Euro, aber es fiel nur ein Steuersatz von 4,5 Prozent darauf an.

00:59:19: Ja, eigentlich wären bis zu 50 Prozent möglich, aber aufgrund dieser ganzen

00:59:24: Ausnahmeregelungen ist es dann eben nur 4,5 Prozent gewesen.

00:59:29: Das ist einfach ein schlagendes Beispiel, wie bei der Erbschaftssteuer so viele

00:59:33: Ausnahmen gelten, dass es wirklich absolut grotesk ist.

00:59:36: Ein anderes Beispiel, erbt man 30 Immobilien, muss man Steuern zahlen,

00:59:40: sind es 300, dann kann man wegen angeblicher Bedürftigkeit und weil diese Immobilien

00:59:45: als Betriebsvermögen dann gewertet werden, auch quasi von fast jeglicher Steuer verschont bleiben.

00:59:51: Es ist völlig absurd und da müsste dringend was gemacht werden.

00:59:56: Ja, wenn man es dann, das wüsste ich alles gar nicht, das ist natürlich genau,

00:59:59: was wir vorhin wieder gesagt haben.

01:00:01: Da muss man sich schon richtig tief eingraben in die ganze Thematik,

01:00:04: um diese Absurdität zu verstehen. Ja, auf jeden Fall.

01:00:09: Okay, das waren also so gängige Mythen. Bei mir fällt jetzt noch ein ganz gängiger

01:00:14: Mythos auch ein, nämlich es wird ja dann oft gesagt,

01:00:17: man könnte auch solche Milliardärssteuern und Steuern für die Vermögenden gar

01:00:23: nicht einführen, weil es ist schwer zu messen und es ist ein hoher Verwaltungsaufwand und so.

01:00:28: Und das müsste man sich jetzt mal vorstellen, dass man das auch anwenden würde

01:00:32: auf die Kontrolle von beispielsweise BürgergeldempfängerInnen.

01:00:35: Da könnte man ja auch sagen, ach nee, das ist irgendwie zu kontrollieren,

01:00:38: ob das Geld jetzt wirklich irgendwie in dem Sinne, wie es der Staat für sie

01:00:41: vorsieht, ausgeben ist viel zu viel Verwaltung, Sanktionen lassen wir alles weg, zu bürokratisch.

01:00:46: Also auch da merkt man, dass da eine ziemliche Doppelmoral im Sinne des Klassensystems,

01:00:53: was sich da drin spiegelt, auch in der öffentlichen Debatte vorherrscht.

01:00:57: Aber wenn wir jetzt mal wegkommen von der Analyse und von den Mythen.

01:01:01: Mit denen diese ganze ungerechte Systematik aufrechterhalten wird.

01:01:06: Aber hat Julia auch noch was zu Alternativen gesagt?

01:01:10: Ja, das hat sie natürlich. Zum einen haben wir ganz kurz gesprochen über einen

01:01:15: Aufruf einer Allianz aus diversen Organisationen jetzt vom Oktober 2024,

01:01:19: Superreiche gerecht besteuern.

01:01:21: Auch da ist das Netzwerk Steuergerechtigkeit dran beteiligt.

01:01:24: Es ist ganz klar das Plädoyer dafür, dass man eine andere Vermögensbesteuerung braucht.

01:01:30: Also wie man das dann genau macht, da hat sich die Allianz dann jetzt erstmal

01:01:33: noch nicht darauf festgelegt, um das ein Stück weit offen zu halten.

01:01:36: Aber es gibt natürlich viele Möglichkeiten, wie man das gestalten könnte.

01:01:40: Und genau dazu habe ich Julia befragt und auch nochmal gefragt,

01:01:43: wie viel an Mehreinnahmen wäre denn möglich? Und da hören wir jetzt nochmal rein.

01:01:47: Also das Netzwerk Steuergerechtigkeit gibt es keine absolute Empfehlung,

01:01:50: wie viel mehr Steuereinnahmen möglich sind, aber wir sehen auf jeden Fall ein

01:01:54: Umsteuerungspotenzial.

01:01:56: Also und das liegt und das sehen wir insgesamt bei ungefähr 75 Milliarden Euro,

01:02:00: also Steuern, die irgendwo mehr eingenommen werden könnten.

01:02:03: Und dann kann man aber auch sagen, wir besteuern mittlere Arbeitseinkommen mit

01:02:07: Steuern und Abgaben, also vor allem Abgaben sehr hoch.

01:02:10: Da könnte man natürlich auch ein Stück weit entlasten. Und da sehen wir eben

01:02:12: dieses Potenzial von ungefähr 75 Milliarden Euro.

01:02:15: Und jetzt mal ein paar konkrete Beispiele zu nennen bei der Vermögenssteuer

01:02:20: für Superreiche, also für Menschen, die mehr als 100 Millionen Euro besitzen.

01:02:26: Wenn wir da sagen, eine zweiprozentige Steuer, da landen wir bei Einnahmen zwischen,

01:02:30: haben wir gerade in einer Studie uns angeschaut, zwischen 11 und 28 Milliarden

01:02:34: Euro, je nachdem, wie die konkret dann ausgestaltet ist.

01:02:37: Stichwort Freibetrag, Freigrenze, also zwischen 11 und 28 Milliarden Euro.

01:02:42: Bei der Erbschaftssteuer würde ich sagen, sind, wenn wir nur die Ausnahmen für

01:02:46: Unternehmensvermögen streichen und durch Stundungen ersetzen,

01:02:50: sind langfristig ungefähr 10 Milliarden Euro jährlich mehr drin.

01:02:54: Ich würde aber sagen, es gibt bei der Erbschaftssteuer auch grundsätzlich Reformbedarf

01:02:59: und bei den hohen Erbvermögen, die wir aktuell weitergeben, wäre es durchaus

01:03:03: zu überdenken, ob wir nicht die Steuer insgesamt noch stärken wollen.

01:03:08: Und dann als dritte Möglichkeit gibt es auch noch natürlich die Möglichkeit

01:03:12: einer Übergewinnsteuer.

01:03:14: Also wir haben die Situation, dass es sehr große Konzerne gibt,

01:03:18: die sehr viel Marktmacht haben und sehr große Gewinne erwirtschaften,

01:03:21: nicht einfach, weil sie besonders innovativ sind oder besonders wichtige Investitionen

01:03:27: tätigen, sondern einfach, weil sie sehr, sehr großen Vorsprung haben vor allen anderen Unternehmen.

01:03:32: Und wenn wir sagen, dass wir diese Gewinne, die auch deutlich höher sind als die der Mitte,

01:03:37: wenn wir sagen, wir legen eine Grenze fest, also wer mehr als 10% Umsatzrendite

01:03:42: hat, also ein normales Unternehmen hat weniger und die haben eben deutlich mehr

01:03:46: als 10%, zahlt auf den überschießenden Gewinn eine höhere Steuer nochmal.

01:03:52: Also dass wir sozusagen, wir haben die normale Körperschaftssteuer und auf den

01:03:56: Gewinn, der untypisch ist, also der besonders hoch ist,

01:03:59: da nehmen wir nochmal eine Extrasteuer drauf und gleichen so ein Stück weit

01:04:03: den Vorsprung aus und auch ein Stück weit, diese großen Konzerne haben auch

01:04:07: durch Gewinnverschiebung und Gewinnverlagerung teilweise in den vergangenen

01:04:11: 10, 20 Jahren sehr, sehr wenig Steuern gezahlt.

01:04:13: Also da sind viele Unternehmen dabei, die deutlich zu wenig Steuern gezahlt haben.

01:04:18: Und das könnte man mit einer Übergewinnsteuer auch ein Stück weit ausgleichen.

01:04:22: Und da wären so Einnahmen, schätzen wir, von bis zu 20 Milliarden Euro drin.

01:04:28: Ganz schön viel Geld.

01:04:31: Was da drin wäre. Ja, es wäre sehr viel Geld möglich.

01:04:35: Und ich glaube, also an den Vorschlägen und auch an den Ausgestaltungen,

01:04:39: wie man das machen könnte, ja, da mangelt es überhaupt nicht.

01:04:42: Es muss um die politische Durchsetzungsfähigkeit gehen.

01:04:46: Und ich weiß nicht, wie dir es da geht, wenn ich so auf den Wahlkampf gucke

01:04:49: und dann sieht man so, ja, okay, SPD und Grüne wollen auch in dieser ganzen

01:04:52: Frage so ein bisschen was machen.

01:04:54: Die SPD will wieder irgendwie eine Vermögensteuer revitalisieren,

01:04:58: wie sie das so schön nennen, für sehr hohe Vermögen. Sie wollen bei der Erbschaftssteuer

01:05:02: so ein bisschen was reformieren.

01:05:04: Auch die Grünen wollen die Erbschaftssteuer verschärfen und sprechen sich unter

01:05:08: anderem für eine globale Milliardärssteuer aus.

01:05:10: Dann denke ich halt immer so, ja, more of the same.

01:05:13: Also wir hatten das. Der letzte Wahlkampf war auch ein Wahlkampf,

01:05:17: wo Steuerthemen durchaus prominent im Fokus standen. Und das ist kein Thema,

01:05:21: mit dem man per se untergehen muss.

01:05:24: Also da verstehe ich auch immer die Angst der Parteien nicht,

01:05:26: das stärker ins Schaufenster zu stellen.

01:05:28: Aber ich meine, nichts davon ist dann irgendwie im Koalitionsvertrag gelandet.

01:05:33: Und von daher muss ich mal ganz ehrlich sagen, dass ich diese ganzen Versprechungen

01:05:38: von SPD und Grünen, da baue ich halt nicht drauf. Also ich weiß nicht, wie dir es da geht.

01:05:45: Na, also ich beobachte das ganz ähnlich wie du.

01:05:48: Ich glaube, das hat eben was damit zu tun. Wir hatten das Thema internationale

01:05:52: Wettbewerbsfähigkeit ja in der Folge 9 und 10 ausführlich bearbeitet und auch

01:05:57: die Grünen unterscheiden sich da nicht großartig, dass sie immer wieder sagen,

01:06:02: wir müssen international wettbewerbsfähig werden,

01:06:04: insbesondere in den grünen Technologien.

01:06:06: Das bedeutet natürlich, Unternehmenswettbewerbsfähigkeit wird dann so umgesetzt.

01:06:12: Da können wir dann auch keine hohen Unternehmenssteuern machen.

01:06:14: Das wird ja auch wortwörtlich gesagt.

01:06:17: Unsere Unternehmensbesteuerung ist nicht wettbewerbsfähig international.

01:06:20: Insofern, in diesem Kontext von der globalen Weltmarktkonkurrenz können die

01:06:24: Parteien, wenn sie das akzeptieren und wenn sie sagen, da wollen wir schön mitmischen,

01:06:28: mitkonkurrieren, können sie gar nicht anders. Ich glaube, das ist einer der Gründe.

01:06:32: Und es gibt aber auch da Vorschläge, wie man dem etwas entgegensetzen kann.

01:06:38: Ich kann ja vielleicht, das wäre dann jetzt auch schon, da bin ich jetzt auch

01:06:41: mal ganz frech, mein Mitbringsel.

01:06:43: Es gab ja 2020 ein Buch, das hieß Der Triumph der Ungerechtigkeit,

01:06:48: Steuern und Ungleichheit im 21.

01:06:51: Jahrhundert. Und zwar von Emmanuel Saez und Gabriel Zückmann.

01:06:55: Und die beiden, das sind enge Mitarbeiter von Piketty, diesem berühmten Ungleichheitsforscher,

01:07:00: Die haben herausgearbeitet, wie man zu einer globalen Besteuerung der Unternehmen kommen könnte.

01:07:07: Dieses Buch fand ich sehr eindrucksvoll, weil es auch sehr leicht beschrieben

01:07:11: ist, sehr schön verständlich geschrieben ist.

01:07:14: Es ist aber allerdings ein bisschen dick und insofern würde ich jetzt hier als

01:07:19: Mitbringsel in eigener Sache sagen, ich habe es rezensiert für den WDR,

01:07:24: da kann man sich das anhören, kurz zusammengefasst und kurz und knackig Und

01:07:28: das würde ich dann in Eva, könnten wir dann in die Shownotes stellen.

01:07:33: Dann kann man die knackige Argumentation sich kurz anhören und muss nicht das ganze Buch lesen.

01:07:39: Aber ich wollte sagen, selbst bei diesem

01:07:42: Gebiet der internationalen Wettbewerbsfähigkeit gibt es Alternativen.

01:07:46: Man ist dem nicht ausgeliefert.

01:07:48: Ja, und Sügmann ist nochmal ein gutes Stichwort für mich auch.

01:07:51: Ihr erinnert euch vielleicht daran, dass wir ja den G20-Gipfel jetzt hatten

01:07:55: und dass im November unter der Schirmherrschaft von Brasiliens Präsident Lula

01:08:00: da Silva die G20 sich zumindest darauf geeinigt haben,

01:08:04: bei der Besteuerung von Milliardenvermögen zusammenzuarbeiten.

01:08:08: Und dieses Konzept für so eine Milliardärssteuer, das hat eben der Ökonom Gabriel

01:08:12: Sügmann erarbeitet im Auftrag eben der brasilianischen Regierung.

01:08:16: Und ich finde es auch extrem wichtig, also da gibt es Berechnungen,

01:08:20: die sagen, bei rund 3000 weltweiten MilliardärInnen könnte man da jährlich Einnahmen

01:08:25: von rund 250 Milliarden Euro zusammenbekommen.

01:08:28: Nur das Problem ist, ich meine, die Grünen machen sich ja auch für so eine globale

01:08:32: Milliardärssteuer stark.

01:08:33: Es ist natürlich klar, das wird Jahre noch dauern. Also es ist ja noch nicht

01:08:37: mal jetzt ein konkreter Arbeitsauftrag an die OECD oder die UN überwiesen worden,

01:08:43: dass das jetzt mal sehr schnell vorangetrieben wird.

01:08:46: Sondern das ist jetzt erstmal wichtig, dass das bei den G20 so prominent auf den Tisch kam.

01:08:53: Aber es wird eben Jahre dauern. Und deswegen finde ich immer wichtig,

01:08:56: wenn man jetzt nur darauf abstellen würde, wäre so eine globale Milliardärssteuer

01:09:01: natürlich so ein bisschen Augenwischerei.

01:09:04: Sehr viel schneller Lösungen hier im nationalstaatlichen Rahmen.

01:09:08: Ich habe aber auch noch ein anderes oder zwei kleine andere Mitbringsel.

01:09:12: Das geht ganz kurz. Und zwar möchte ich im Zusammenhang mit unserem Thema auch

01:09:15: nochmal zwei Sachen empfehlen, nämlich einen ZDF-Beitrag.

01:09:19: Den stellen wir auch in die Shownotes. Die hatten sich nämlich vor nicht allzu

01:09:22: langer Zeit nochmal so angeguckt oder so einen sogenannten Background-Check

01:09:25: gemacht, was kosten uns die Reichen.

01:09:27: Und den finde ich deswegen so interessant, weil der A sehr anschaulich ist und

01:09:31: 2 B, der Lobbyverband der Familienunternehmen, über den haben wir ja auch schon

01:09:36: öfter gesprochen, danach erbost mit einem offenen Brief sich an das ZDF gewandt hat.

01:09:41: Und das wiederum hat das Netzwerk Steuergerechtigkeit zum Anlass genommen,

01:09:45: sich diesen offenen Brief mal vorzuknöpfen und mal so ein bisschen sich anzuschauen,

01:09:49: was die Familienunternehmen da an Fake News verbreiten.

01:09:53: Und Familienunternehmen, kann man ja eh nicht sagen, sind irgendwie die Hochvermögenden

01:09:57: drin organisiert, auch wenn die alles dafür tun, die Liste der Unternehmen geheim

01:10:02: zu halten, die bei denen organisiert sind. Aber man weiß es natürlich so ein bisschen auf Umwegen.

01:10:06: Also dieser ZDF-Beitrag und das, was es an Nachklapp hatte, das war ganz interessant.

01:10:11: Und weiteres mitbringen, da bin ich drüber gestolpert. Ich habe nur reingelesen,

01:10:14: aber fand es auch sehr interessant.

01:10:16: Von David de Jong gibt es ein Buch, Braunes Erbe.

01:10:20: Und der hat nämlich mal herausgearbeitet, wie einige der Unternehmerfamilien,

01:10:25: die hochvermögend in unserem Land sind, wie die Quanns, die Flicks,

01:10:28: die Porsches, die Oetkers, aber auch die Reimanns,

01:10:31: wie die eigentlich ihr Vermögen im Nationalsozialismus vermehrt haben.

01:10:35: Und das ist, glaube ich, einfach auch nochmal eine interessante Facette dieses ganzen Themas hier.

01:10:41: Spannend, das ist echt interessant. Das ist auch total wichtig,

01:10:44: diese Facette nochmal zu erwähnen. Genau, sehr gut.

01:10:48: Und damit sind wir am Ende unserer heutigen Sendung. Wir hoffen,

01:10:51: es hat euch Spaß gemacht und ihr habt vielleicht auch was gelernt.

01:10:54: Und wir freuen uns natürlich auf Zuschriften, Kritik und Kommentare unter armutszeugnis at rosalux.org.

01:11:01: Und ja, wir entschuldigen uns nochmal für kleinere technische Störungen,

01:11:04: die es hier vielleicht zwischendurch gegeben hat. Aber das ist eben unserer

01:11:08: besonderen Aufnahmekonstellation heute geschuldet.

01:11:11: Und Sabine, dir an dieser Stelle vor allen Dingen auch nochmal ganz viel gute

01:11:14: Besserung. Super, dass du heute trotzdem dabei warst.

01:11:17: Danke, gerne. Und ich möchte darin aber bitte kein Vorbild sein, ja?

01:11:22: Genau, wenn man krank ist, lässt man sich krank schreiben und geht nicht zur Arbeit. So ist das.

01:11:29: Gut, dann auch von mir. Danke fürs Zuhören und auf Wiederhören.

01:11:33: Ja, bis bald. Bis bald. Tschüss.

01:11:38: Music.

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